Lüers, Emma: Ein Spaltbreit Freiheit
Emma Lüers
Ein Spaltbreit Freiheit
Nachwort von Olaf Bröcker
Geest-Verlag 2021
ISBN 978-3-86685-838-1
5 Farbbilder der Autorin
137 S., 11 Euro
"Das Straßenschild fliegt vorbei und ich tue das Richtige und lasse den Wind – ja - nach meinen Haaren greifen, weil ich das gar nicht anders beschreiben kann. Wie kann man denn anderen sonst zeigen, wie sich die Welt mal unrealistisch anfühlt, so hautnah?"
Emma Lüers, 2002 geboren, lebt in Vechta und als Schülerin am Gymnasium Antonianum hat sie in der dortigen Schreibwerkstatt das Schreiben für sich entdeckt und einen ganz eigenen Ausdruck mit Sprache gefunden.
Ihre Texte sind in Büchern der Schreibwerkstatt veröf-fentlicht worden und lassen sich in Anthologien von verschieden Wettbewerben finden, darunter auch dem Vechtaer Jugendliteraturpreis oder dem 3. Literaturpreis Harz.
Mit „Ein Spaltbreit Freiheit“ veröffentlicht die Autorin nun abwechslungsreiche lyrische Kurzprosa in ihrem ersten eigenständigen Werk. Die Texte fragen nach unscheinbaren Dingen, manchmal einfach nur nach einem Platz in der Welt. Oder sie wollen einfach nur ein Gefühl sein, eingereiht in Alltäglichkeit.
"Emma kann beides. Ihre langen Texte sind nicht weitschweifig, sondern ähnlich dicht wie Lyrik. Sie flimmern geradezu vor lauter sprachlichen Bildern, wechseln immer mal wieder die Form oder das Genre – mitten im Text – und erzählen sehr oft anhand von Figuren, die mit wenigen Worten herausgearbeitet werden. Dazwischen stehen ganz kurze Worte, Aphorismen, die ihr Schreiben aufschlüsseln; nie zu genau, aber immer mit einem Hinweis, was das Schreiben für Emma bedeutet." (Aus dem Nachwort von Olaf Bröcker)
Aus ihrem neuen Band: 'Ein Spaltbreit Freiheit' präsentiert die Autorin eine Auswahl an Lyrik und Bildrn. Ein Hör- und Schaugenuss
Rezension – Ein Spaltbreit Freiheit
In fünf Kapiteln bietet Emma uns genau das, was auf dem Einband ihres Buches steht – „Ein Spaltbreit Freiheit“, für den wir uns unbedingt die „Zeit fürs Zeit haben“ nehmen sollten. Zwischen Einband und Buchrücken tummeln sich kurze Prosa, Gedichte und Aphorismen, die alle eine Menge zu sagen haben und auch nach mehrfachem Lesen immer neue Ebenen eröffnen. Ein wiederkehrendes Bild in ihren Texten ist der Wind. Er taucht in all seinen Formen auf und wird von ihr in Bilder gefasst, die den Wind – zumindest in meinem Kopf – ein ganzes Stück belebter und präsenter machen. Doch nicht nur der Wind, sondern auch viele andere Naturbilder finden sich in ihren Texten wieder, und lassen einen wacher durch den Tag gehen, aufmerksam darauf, das ein oder andere zu sehen, wofür Emma die Worte gefunden hat.
In ihren kurzen Prosatexten schafft Emma es auf wenigen Seiten lebhafte Figuren zu erschaffen, von denen man sich nach jeder bildreichen Geschichte wünscht, dass es noch mehr zu ihnen gäbe. Wenn sich das Fantastische in eine ganz normale Alltagssituation mischt und beide Elemente sich ineinanderfügen, als seien sie schon immer dafür gedacht auf einer Seite zu stehen, stecken wir mitten in einer von Emmas Geschichten und möchten dort so schnell auch nicht mehr raus. Nur sie schafft es von „Erdbeerdrachen“ und „Wintersonnenblumen“ zu schreiben, als hätte es sie schon immer gegeben und die „Review eines Hobby-Zauberers“ findet sich wohl in keinem zweiten Buch wieder. Aber auch „Geschichten von ganz normalen Problemen“ widmet sie ein Kapitel ihres Buches. Dort dreht und wendet sie durch ihre ausdrucksstarke Sprache augenscheinlich normale und alltägliche Situationen so, dass sie eine ganz andere Perspektive bekommen. Es ist faszinierend, was „violette Milchshakes“ und sich unterhaltende Lungenflügel alles tun können. Mal gelingt es ihr durch verspielte Leichtigkeit, ein anderes Mal durch treffende Genauigkeit ihre Bilder wirken zu lassen und bekannte Situationen unbekannt zu erzählen.
In einem ganz besonderen Kapitel finden sich Texte wieder, die im KZ in Ravensbrück entstanden sind. Ihre reflektierte und respektvolle Auseinandersetzung zeigt sich in starken, emotionalen Texten, die noch lange nach dem Lesen zum Nachdenken anregen.
Jedes Kapitel beginnt mit einem von Emmas Bildern. Neben dem Schreiben hat sie auch das Talent ganz ohne Worte abstrakte Bilder zu kreieren, in denen sich der Blick verliert. Bei den gekonnten Farbkontrasten und originellen Motiven kommt jedes Mal Vorfreude auf das nächste Kapitel auf.
Ein wirklich facettenreiches Erstlingswerk mit vielen originellen und wichtigen Gedanken.
Thalia-Anna Hampf, Hildesheim