Laura Jünemann, 20 Jahre alt, aus Vechta und studiert Psychologie an der Universität Mainz. Ihre erste eigene Anthologie „Im Mondkleid Tränen sonnen“ erschien 2018. Im selben Jahr gewann sie außerdem den 1. Platz des Jugendliteraturpreises Vechta. Ihre Leidenschaft für das Schreiben ist für sie eng verknüpft mit der Liebe zu Musik und Natur.

Laura Jünemann

Geschneidert

Wir bräuchten Maßstäbe in Kreisform, um endlich zu verstehen, worauf all das hinausläuft, was wir erwarten.
Wir bräuchten Wunschpendel und Alltagsspiralen, gerundete Wahrheiten und Topfschnitte für unsere Hirnfrisur, damit eine Begrenzung über-haupt die Möglichkeit erlangt, vervollkommnet zu werden. Allein jede Uhr müsste die Aufgabe erhalten, in gerader Linie am Arm herunterzulaufen, links vielleicht.
Die Beliebigkeit von dem, was wir alles nicht ge-tan haben, sollte sich zählen lassen zu einer einzigen Einheit, deren Name in unserem Stamm-baum erscheint wie der Urahne, zu dem wir selbst längst geworden sein werden.
Mit welcher Lesegeschwindigkeit wächst das Leben, wie lange wachsen seine Wurzeln, ab wann nur noch die Blätter? Welcher Abstand zwischen dir und mir wird magnetisch, über welche Tage kann das Wasser laufen und wa-rum denken wir, dass Orientierung hilft, die Unendlichkeit zu übersehen?

(aus: In die Zeit gefiltert. Geest-Verlag 2021)