Dieter Wöhrle: Der Traum vom Leben auf dem Lande (Gedicht des Tages am 3. Mai)

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Der Traum vom Leben auf dem Lande

Sich zu entspannen, fiel ihm heute schwer:
Der Baulärm vorm Café war bestialisch,
und infernalisch war auch der Verkehr,
dagegen half der Rotwein selbst nicht mehr.
Veränderung tat not, und zwar postalisch.

Schon träumte er vom hügeligen Land,
vom Duft der Wiesen, sattem Grün, von Ruhe,
vom Blick auf eine stolze Felsenwand,
von Burgen, die er baut’ im Dünensand,
davon, im Watt zu waten ohne Schuhe.

Vom Eigenheim er träumt’, vom Gartenzwerg,
von Nachbars Missgunst und Gerichtsprozessen
und davon, dass am Horizont ein Berg
verdeckt’ ein laufendes Atomkraftwerk ...
Ein Kellner fragte, was er wünscht’ zu essen.

Er schreckte hoch und sah sich um.
Sein Stammcafé war gut besucht wie immer.
Man scherzte, lachte, stritt, man gab sich stumm.
Die Barfrau kam ihm vor wie Heidi Klum.
Und Straßenlärm verblasste zum Gewimmer.

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