J. Monika Walther - Wann soll es sein (Gedicht des Tages am 15. März)

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Wann soll es sein?

Später soll es sein,
weil ich jetzt keine Zeit habe,
Geld, Pflicht, was du willst.
Wer liebt, geht verloren,
wechselt die Straßenseite,
verharrt im Wünsche aufsagen,
spricht ohne Stimme
Kinderreime.

Später soll es sein,
das Frühjahr war kalt
der Sommer nahm sich Zeit.
Wie lang ist es her,
fragte ich eine Reisende,
ohne Blick auf die Uhr sagte sie,
wenn Sie nicht langsamer laufen,
kommen Sie zu spät.
Also bleibe ich stehen.
Bei der Fahrt zwischen zwei Dörfern
eine Reise durch Sand, Tannen
und abends finde ich die Straßen zum Meer.
Der Duft der Fische. Die Zeit ohne Worte.
Die Uhr der Reisenden tickt laut.
Ein Anfang ohne Rechnung.
Ein Stern fällt vom Himmel.

Früher hätte ich ankommen müssen
laut Fahrplan Lust und Laune,
früher aber verlief ich mich
immer stürzend voran,
immer mit dem Griff nach Zukunft
nach allen Pflichten die Felder
und Himmel absuchend,
Blick hinauf Blick hinunter
bis zur Schwindligkeit.

Luft habe ich in Flaschen gefüllt,
in alle Flaschen, deren ich habhaft
werden konnte, sammelnd und am Strand,
nicht Postflaschen leere Flaschen
gefüllt mit feiner staubiger Sandluft.
Später wollte ich atmen,
später wäre ich angekommen,
wenn ich nicht früher am Bahnhof stehe.
Später hätte ich und dafür gibt
niemand eine Bitte. Jedes Jahr
fallen die gelben Birkenblätter,
der Wind wirbelt. Keine Angst
morgens vor der Zeit habe ich mehr.
Jetzt soll es sein, dass ich frage,
wie spät es ist.

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