Marina Richter - Ich träumte
Hördatei:
Ich träumte
Ich träumte, ich wäre ein Fisch
auf dem Trockenen.
Ich träumte, ich wäre ein Welpe
auf der kalten Straße.
Ich träumte, ich wäre ein Vogel
mit gebrochenen Flügeln.
Albträume, alles Albträume!
Sie nehmen mich gefangen,
ziehen mich hinunter
und lassen mich nicht mehr los.
Hilfe, ich brauche Hilfe!
Drohe zu ertrinken in mir selbst!
Ich träumte, ich wäre ein Löwe
im goldenen Käfig.
Ich träumte, ich wäre ein Delfin,
vom Öl vergiftet.
Ich träumte, ich wäre ein Lamm
auf dem Grill.
Albträume, alles Albträume!
Sie begleiten mich durch den Alltag,
flüstern mir Dinge zu,
die keiner hören will.
Die Welt dreht sich weiter,
und doch – still steh’n sollte sie!
Ich träumte, ich wäre ein Eisbär,
dem das Eis unter den Pfoten schmilzt.
Ich träumte, ich wäre ein Kind,
das in Afrika hungert.
Ich träumte, ich wäre du
und schämte mich für uns.
Albträume, alles bloß Albträume,
oder etwa nicht?
Träume sind Schäume ohne Bedeutung,
oder etwa nicht?
Die Augen, öffne die Augen,
verschließe sie nicht!
Ich träumte, ich fände einen Baumsprössling
in einem niedergebrannten Stück Wald.
Ich träumte von stillgelegten kalten Baggern,
weil ein Paradiesvogel kam.
Ich träumte von einer grausamen Welt,
in der es Hoffnung gab.
Albträume, die ganzen Albträume,
sie können enden.
Mit dir und mir,
mit deiner Stimme, deinen Taten,
mit deinem Herzen
und dem Kopf voller Ideen.