Rosalie Linneweber - Das Buch meines Lebens (Jugendliche melden sich zu Wort am 18. Mai)
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Das Buch meines Lebens
Mein einziger Gedanke: Das Buch! Ich irre umher und suche überall. Doch nichts.
Ich setze mich auf mein Bett, und da liegt es. Ich nehme es hoch und
fange an, darin herumzublät-tern. Was ist das? Hinten sind die Seiten
unbe-schrieben. Ich suche nach dem Ende der Schrift. Da! Verrückt,
denke ich und lese es gleichzeitig in dem Buch. Meine Gedanken fließen
in Buchstaben über die Seiten. Ich muss es behalten! Niemand darf es je
zu Gesicht bekommen. Mein letzter Ge-danke.
Dann wache ich auf. Ich sitze auf meinem Bett, doch das Buch ist fort.
Am nächsten Morgen laufe ich aufgeregt zu meiner Freundin Laura und
fange an, ihr wie jeden Tag von meinem seltsamen Traum zu erzählen.
Denn jede Nacht lese ich mehr! „Mina, es ist Quatsch, und das weißt Du!
Konzentriere Dich auf die wichtigen Din-ge! Denk doch mal an Jonas!“,
sagt sie. „Was weißt Du denn, was für mich wichtig ist?“, frage ich sie
genervt. „Es ist mein Leben, dass ich Nacht für Nacht lese, und ich
muss es finden!“ „Du hörst Dich an wie eine Heldin aus einem
Fantasie-Roman! Hal-lo! Das hier ist das richtige Leben! Du wirst
niemals ´Das Buch Deines Lebens`, wie Du immer sagst, finden!“ „Doch,
das werde ich! Auch wenn ich mein ganzes Leben dafür aufgeben muss“,
sage ich ru-hig.
Ich beginne zu suchen. Überall. Doch nirgendwo eine Spur von ihm.
Die Schule mache ich nur noch nebensächlich. Ich treffe mich kaum noch
mit Freunden oder verbringe Zeit mit meiner Familie. Nur noch das Buch
zählt.
Nach zwei Monaten erfolgloser Suche gebe ich auf. Ich fange wieder
an, mich mit meinen Freunden zu treffen, Zeit mit meiner Familie zu
verbringen und mir Zeit für die Schule zu nehmen.
Das Buch rutscht in den Hintergrund.
Ich komme von der Schule nach Hause, schmeiße meine Schultasche in
die Ecke, schlüpfe aus den Schuhen und renne die Treppen hinauf.
„Hallo, Schatz! Es ist ein Päckchen für Dich gekommen. Ich habe es hoch
in Dein Zimmer gebracht!“, ruft mir meine Mutter entgegen. Ich stürme
in mein Zim-mer und entdecke das Päckchen auf meinem Nachttisch.
Ich setze mich auf mein Bett und öffne behutsam das Päckchen. Zum Vorschein kommt ein dickes, schweres Buch.
Ich schlage es auf, und der Text, den ich lese, kommt mir bekannt
vor. Es ist fast wie ein Deja vú! Ich fange an, wie verrückt darin
herumzublättern, und sehe, dass die letzten Seiten unbeschrieben sind.
Ich suche die Stelle, wo der Text aufhört. Und sehe, wie die Zeilen
über die Seiten fließen. Wie in meinem Traum, denke ich und lese es
gleichzeitig in dem Buch!
Ich klappe es zu, schaue auf den Umschlag, auf dem in goldener Gravur geschrieben steht: Das Buch meines Lebens.
Rosalie Linneweber (14 Jahre)