Pumb, Marianne: Mit Flügeln flinkeln
Autor:
Marianne Pumb
Mit Flügeln flinkeln
Gedichte und Geschichten.
Holzschnitte von Luise Dewerny.
Geest-Verlag 2005
ISBN 3-937844-63-5
10 Euro
Zum Buch
Es tritt uns eine Autorin mit ihrer Wortkunst entgegen und rüttelt auf, nimmt kein Blatt vor den Mund, weckt Emotionen, trifft uns, doch wir bleiben nicht allein zurück, denn gibt auch Tröstendes, Hoffnungsvolles. Sie spielt mit Worten, schöpft Worte, ironisiert auch sich selbst, politisiert, dramatisiert, leidet, freut sich … Wir lassen uns mitreißen, leiden mit, freuen uns mit, denn es sind eigentlich unsere Gefühle, Gedanken, unsere Wut und auch unsere Worte, die wir jedoch zuvor nicht aussprechen konnten. Wir nehmen diese Worte mit in unseren Alltag und sie verändern uns.
Marianne Pumb, geb. 1961 in Neubrandenburg. Arbeits- und Lebenserfahrungen u. a. als Kranken- und Gemeindeschwester, im Sekretariatsdienst, in Beratungs- und Vortragstätigkeit. Sie hat zwei Kinder und lebt in Berlin. Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, im Geest-Verlag 2003 außerdem erschienen: Limettensonne. (Lyrik und Kurzprosa).
Luise Dewerny, geb. 1971 in Berlin. 1991-1996 Studium Malerei Grafik an der HfBK Dresden (bei Siegfried Klotz). Seit 1996 Diplom, Atelier in Berlin, zahlreiche Ausstellungen, verheiratet, zwei Kinder. (www.luisedewerny.de)
Vorwort
"Mit Flügeln flinkeln" ? die Neugierde, die die Berliner Autorin Marianne Pumb mit dem fantasievollen Titel ihres zweiten Gedichtbandes weckt, wird nicht enttäuscht. Von Geschichte zu Geschichte lockt die Autorin ihre Leser, von Gedicht zu Gedicht. Widerständig sind die Gedichte, mit Bor-ten, ohne Lieblichkeit.
Wie kommt ein Mensch zum lyrischen Umgang mit Abgründen? Marianne Pumb, Pfarrerstochter aus Neustrelitz, wuchs in einer Gesellschaft auf, die ihre Werte nicht teilte. Die Außenseiterin übte sich früh darin, zu bekennen, sich durchzusetzen und sich abzusetzen, und die Distanz schärfte i-ren Blick für die Anderen, die Nicht-Angepassten, die, die draußen blieben ? ihnen galt und gilt ihr Interesse. Ihr Thema ist stets und variantenreich die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz. Sie spottet, sie hadert, sie leidet, sie überrascht, provoziert und spielt, aber es geschieht nie, dass sie aufgibt.
Dem Thema Krankheit, im realen wie im übertragenen Sinne, schafft sie Räume, wie sie ihm nicht viele zugestehen. Die kleinen Texte stecken ganz buchstäblich voller Eigen-Sinn, sind mal wörtlich
zu nehmen, mal Metapher und zeigen den Menschen in seinem ganzen Elend, doch weder mit kaltem analytischem Blick noch mit verkitschtem Trost. Marianne Pumb setzt der Schwere des Lebens den Traum von der Schwerelosigkeit entgegen, den gebrochenen Knochen die Flügel, den Schmerzen das Licht. Sie erzählt von der Frühlingssehnsucht der "Versehrten", an Leib oder Seele, die dem Glück entgegenhinken, entgegenstöckeln über Brücken, die vielleicht aus Worten sind. Die Gedichte haben eine ganz eigene Tonlage, bewegen sich in der Spannung zwischen Tragödien und dem Wunsch nach dem Zwiegespräch mit der blauen Wärmflasche, nach Geborgenheit. Dem unausweichlichen Moment des Sterbenmüssens ? "irgendwann wieder sterben" ? geht sie nicht aus dem Wege, doch bestimmt sie den Weg dorthin: "Aber solange lasst uns leben und erzählen."
Virtuos spielt die Autorin auf der Klaviatur der Emotionen, da lesen wir über Zärtlichkeit, über Wut, da ist viel Ironie, die ausgestreckte Hand und die präzise Beschreibung von Defekten. Was fehlt, das ist der Klagelaut, der kommt nicht vor. Und diese durchgängig positive Haltung, glaubwürdig wie selten vertreten, ist ein Grundzug, der ihren Gedichten Außergewöhnliches verleiht, eine ? familiengeprägte ? große Authentizität. Alles andere als naiv, bleibt sie dennoch optimistisch, sucht neue Bilder und neue Formen und entzückt Leser von Gedicht zu Gedicht mit ihrer Schlusspointe. Mal zärtlich, mal träumend, mal fragend und nie ein Schlusspunkt, sind ihre letzten Zeilen gelungene Überraschungen, Aufbruch, Wegweiser, vom Leser gespannt erwartet.
In ihrer Klarheit kommen kongenial die Holzschnitte der Luise Dewerny zu Wort, denn auch Luise Dewerny zeichnet Menschen, reduziert auf Empfindung, Befindlichkeit, Menschen ohne Dekor, schmucklos, nackt, ausdrucksstark. Wir sehen Schauende, Hockende, Liegende, und wenn sie kauern und sich in den gegebenen Rahmen fügen, so kauern sie in Geborgenheit. Diese Menschen sind bei sich, sie sind ebenso mutig und selbst bestimmend wie die Menschen in Marianne Pumbs Gedichten. Nicht zufällig widmet die Lyrikerin ihr "Ostseeschwimmen" ? ihr Ganz-bei-Sich-Sein, ihr kreatürlichstes Erleben ? der Freundin Luise, deren großes Thema neben den Figuren das Meer ist, das Meer in seiner Dramatik, tobend, voller Abgründe, auch wenn es ruhig daliegt und glatte Fläche vortäuscht. Und das verbindet die beiden Künstlerinnen, sie wissen um die Ti-fen, sie begnügen sich nicht mit Oberfläche, sie loten tiefe Wasser aus ? jede auf ihre Weise, mit Worten, in Bildern.
"Trotz allem beschwingt vom Leben" ? auch diese Zeile steht für das Ganze.
Lesevergnügen? Aber durchaus! Diese Texte machen süchtig, man wünscht sich mehr davon.
Dr. Marlene M. Rytlewski
Leseprobe
Aufbruch
Aufbruch
mit Beinbruch
zerbröselnden Knochen?
Zerfalle -
Aber mit Flügeln
werde ich flinkeln
und hinkeln
zur Raupe werden
kokongen
zum Faden
Durchscheinen
im Licht