"Schubertiana" in Warfleth: Gütig, menschlich. Nichts für Trump.

"Schubertiana" in Warfleth: Gütig, menschlich. Nichts für Trump.

"Welches andere Werk", fragt der große Schubert-Interpret András Schiff, "ist so erfüllt von Stille?" Gemeint ist Schuberts letzte Klaviersonate B-Dur, Schluss- und Höhepunkt eines drei Werke umfassenden Zyklus´, der in der Musikgeschichte an Dichte, Dauer und Intensität seinesgleichen sucht.  Schiffs Kollege Alfred Brendel hob den außerordentlich reichen Gefühlsausdruck und die Tiefe der Musik von Schuberts drei letzten Sonaten hervor. Elfriede Jelinek findet gar, als Hörer fühle man sich "verschlungen". Andere geben an, Schuberts Sonaten ließen die Zeit stillstehen für sie, oder sie sprechen von einem "weltlichen Requiem", von einer Musik des mitleidenden Abschiednehmens, geprägt von humaner Anteilnahme.  Graham Johnson, der berühmte Liedbegleiter und Schubert-Forscher, hebt Schuberts Menschlichkeit und Empfindsamkeit hervor und beschreibt dessen Gabe, ein "Gefühl ekstatischer Melancholie" zu wecken.

Die in New York geborene und ausgebildete, seit Jahren als Professorin in Köln wirkende Pianistin Nina Tichman bezeichnet Schubert als ihren Lieblingskomponisten, der in ihr ganz andere Saiten zum Schwingen zu bringen verstehe als jeder andere Komponist. Tichman zählt als Gewinnerin bedeutender Auszeichnungen  (Eduard-Steuermann-Preis, Busoni-, Casagrande-, Mendelssohn-Wettbewerb) nicht nur zu den bedeutendsten Pianisten unserer Zeit. Sie ist auch eine außerordentlich belesene "femme du lettre"; Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit" etwa hat sie komplett gelesen, und zwar dreimal, auf Englisch, auf Deutsch und Französisch. Zu dem am kommenden Samstag, 19.11., in Warfleth anstehenden Konzert mit Schuberts drei letzten Klaviersonaten hat sie sich nicht nehmen lassen, literarische Bezugstexte auszuwählen, darunter  "Schubertiana", ein Gedicht des schwedischen Literatur-Nobelpreisträgers Tomas Tranströmer.

Der Text beginnt mit einem Blick auf das nächtliche New York mit seinen acht Millionen Menschen, wechselt zum Erzähler, der mit seiner Frau am Klavier sitzt, Schubert zu spielen. "Heroisch", meint die  Frau. Schon, entgegnet der Erzähler, aber nichts für Neider, nichts für die, die sich innerlich selbst verachten, weil sie nicht selbst die Mörder sind. Die erkennen sich hier nicht wieder, und die vielen, die Menschen kaufen und verkaufen und die glauben, dass jeder gekauft werden kann, auch die erkennen sich hier nicht wieder. "Nicht ihre Musik." Nicht ihre und garantiert nicht die von Donald Trump.

Zu empfindsam, würde Graham Johnson ergänzen. Zu altruistisch, zu empathisch. Zu human.

 

SA 19.11. (Schuberts Todestag), 17:00

Konzertkirche Warfleth, Berne-Warfleth, Deichstraße 120

NINA TICHMAN SPIELT SCHUBERTS DREI LETZTE SONATEN

25,00 Euro, Schüler, Erwerbslose, Geburtstagskinder frei

veranstaltungsdatum: 

19. November 2016

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