Theodor Pelster liest aus 'Nachgeholte Begegnungen' in der Pater-Titus-Stiftung in Vechta
Lesung am Samstag, 2. Oktober 2010 um 16.00 Uhr, in der Pater-Titus-Stiftung in Vechta
Theodor Pelster
Nachgeholte Begegnungen -
Späte Briefe an meinen toten Vater
Im Traum laufen heute ab und zu noch immer Stationen meiner Kindheit ab, in denen Du die Hauptrolle spielst. Der Film, den ich oft durchlebe, beginnt in der Vorkriegszeit, als wir auf dem Teppich im Wohnzimmer liegen und mit der kleinen aufziehbaren Eisenbahn spielen. Augenblicke später bist Du plötzlich Soldat und wir, Mama und ich, besuchen Dich an einem Kasernentor. Dann spielen wir noch einmal in Deinem Heimaturlaub unter dem Weihnachtsbaum mit Rennautos. Schließlich verdüstert sich alles. Du holst uns aus unserm Haus, wir fahren nachts mit dem Zug und halten vor einer brennenden Stadt auf freiem Feld. Dann sitzen wir, Mama und ich, in einem kleinen Zimmerchen in Esslingen, frieren und warten auf Post von Dir und von zu Hause. Nächste Sequenz: Einmarsch der amerikanischen Truppen. Kein Lebenszeichen von Dir, keine Nachricht aus Krefeld. Mama weint fast durchgehend und liest mir ab und zu aus „Bechsteins Märchen“ vor, dem einzigen Buch, das wir von zu Hause mitgenommen hatten. Dann fahren wir nach Göppingen. Immer wieder fahren wir nach Göppingen.