"Buch sucht Autoren" -- Die Fünften Berner Bücherwochen: Von Fiet am Deich bis Hannelore Hoger

Noch haben sie garnicht begonnen, doch touren sie schon jetzt ziemlich hoch: Die "Berner Bücherwochen" der Gemeinde Berne, die in diesem Jahr zum fünften Mal als "Fest der Kultur rund ums Wort" stattfinden. Fast täglich bringt der Postbote neue Texteinsendungen, Schüler fiebern ihren ersten Schreibtagen entgegen, und die wegen der zahlreichen Termine wie üblich recht diffizile Programmplanung ist just unter Dach und Fach.

Nun steht es fest: Am 2. Oktober starten die Bücherwochen in der Comeniusschule Berne mit der Eröffnungsveranstaltung, zugleich Premiere der  weltweit ausgeschriebene Anthologie, Titel "untertan - Texte zur Zeit". Zu diesem Buch kann jeder Interessierte auf der ganzen Welt Texte einreichen. Die ersten eingegangenen Texte stammen übrigens aus Tokio, Berlin und Nordenham. Dem besten Beitrag winkt ein Preisgeld von bis zu 1.000 Euro. Als zweite Anthologie erlebt das neue "Lesebuch für die Wesermarsch" vierzehn Tage später seine Premiere in Brake. An beiden Büchern kann übrigens noch mitgeschrieben werden -- allerdings gilt die "Wesermarsch"-Ausschreibung ausschließlich für Bewohner der Wesermarsch. Thema und Buchtitel lauten hier "Liebes Geschichten".

Mitmachen kann jeder, der Lust hat zu schreiben, Anfänger wie Profi, jung oder alt. Auch das Genre der Texte -- Erzählung, Tagebuch, Gedicht -- ist freigestellt. Texte auf Platt sind willkommen. Beide Bücher erscheinen im Geest-Verlag Vechta; über die Auswahl der Texte und etwaige Preisvergaben entscheiden Jurys. Wichtig: Die Ausschreibungsfrist für beide Ausschreibungen endet am 31.08.2015 -- Datum des Poststempels --. Rund um diese beiden Bücher wird es wesermarschweite "Hallo-Nachbar"-Lesungen geben, bei denen Menschen vor Ort einander Geschichten aus den beiden Büchern vorlesen. Ziel ist es, so Organisator Reinhard Rakow, möglichst viele Menschen neugierig auf Bücher und Literatur, aufs Erzählen und Zuhören, Schreiben und Lesen zu machen. Dem dient auch das Angebot einer Schreibwerkstatt unter Leitung der Schriftstellerin Jana Jürß (10.10., Anmeldung erforderlich bis 01.10.).

Den "Nachbar"-Lesungen beigesellt sind Vorträge und Lesungen prominenter Schriftsteller und Wissenschaftler, die sich mit der "Untertan"-Thematik auseinandersetzen. So referiert etwa Prof. Dr. Gerhard Trabert über die Unterwerfung des Gesundheitssystems unter das Diktat der Rendite. Trabert, Arzt, Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden, wurde u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz und dem  Kinderschutzpreis ausgezeichnet, er ist Gründer und Aktiver des "Mainzer Modells" zur medizinischen Unterstützung nicht versicherter Patienten. Sein Vortrag zu dem Thema "Wer arm ist, stirbt früher", findet am 30.10. in der Kulturmühle statt. Dort gastieren auch Ulla Herrmann, die Wirtschaftskorrespondentin der Berliner "taz" (07.11., "Wie das Kapital sich die Welt untertan machte") und Karsten Krogmann, der Leiter der Reportagenredaktion der Nordwest-Zeitung (14.11., "Der Mörder mit der Ordensbrust -- der Fall Herold").  Der Historiker Dr. Ingo Harms berichtet am 05.12. im Seniorenheim Kückens über neue Erkenntnisse zum Patientenmord der Nazis im Landeskrankenhaus Wehnen. Schriftsteller wie J. Monika Walther (21.11., "Der Mut der kleinen Leute") oder Marianne Brentzel, sie wurde 2014 vom Land Nordrhein-Westfalen mit dem bedeutenden Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet, fügen dem Thema literarische Facetten bei (17.10., "Berta Pappenheim: keinem Manne untertan"). Und der Oldenburger Schriftsteller Klaus Modick liest am 24.10. aus seinem neuen Roman "Konzert ohne Dichter" zu Worpswede, Vogeler und Rilke.

Während in diesen Tagen Ausschreibungstexte versandt und die ersten Vortrags-Termine gebucht werden, erwarten die an den geplanten Buchprojekten beteiligten Schüler ihren ersten Schreibtage mit ebenso großer wie freudiger Spannung. In der Braker Pestalozzischule treffen sich am 19. Februar Förderschüler und Gymnasiasten der achten Klassen zum Start des gemeinsamen Lern- und Schreibprojektes. Es wird sich mit dem Schicksal einer erdachten gleichaltrigen jüdischen Braker Schülerin im Nationalsozialismus befassen. Am Ende soll ein gemeinsam niedergeschriebener Roman stehen, der als Buch des Geest-Verlages  (und vielleicht noch in anderer Form ...?) der Öffentlichkeit präsentiert werden wird. Am 20. Februar ist in den dritten Klassen der Berner Grundschulen das erste Buch-Brainstorming angesagt. Thema werden dann das Leben und die Abenteuer des fiktiven Berner Heuerjungen Fiet sein, der in den Fünfzigern am Deich aufwächst.

Das bei den Schülerbüchern gelebte schulenübergreifende Miteinander ist ein auch im überregionalen Maßstab seltenes und bedeutsames Moment. Eine weitere Besonderheit beider Buchprojekte besteht darin, dass sie reichlich Gelegenheit bieten zum Austausch von Jung und Alt; einige der engagierten Lehrkräfte haben schon Kontakt zu lokalen Zeitzeugen aufgenommen, um sie bald als Gesprächspartner der Schülerautoren einladen zu können. Das Buch der Berner Grundschulen wird seine Premiere am 21. November in der Warflether Kinzertkirche feiern, das der Braker Schüler eine Woche zuvor in der Pestalozzischule.  Schließlich werden in der traditionellen Abschlussveranstaltung (19.12., Comeniusschule) die Siegertexte bekanntgegeben und die Preise verliehen. Eine Konzertlesung mit Hannelore Hoger, Ariadne Daskalakis und Nina Tichman beendet am Tag darauf die "Bücherwochen" und das Jahresprogramm der Konzertreihe "Berne bringt ..." in gewohnt leuchtvoller Weise (Kirche Warfleth, 20.12.)

Das komplette Programm der Bücherwochen kann man nachlesen im Netz (www.reinhardrakow.de, www.berne.de) oder anfordern bei Reinhard Rakow (04406-920046, berne-bringt@t-online.de), der auch  Buchungen zu den Vorträgen und Lesungen entgegen nimmt. Noch bis Ende August können Bewerbungstexte zu den beiden Ausschreibungen eingereicht werden, und zwar an Reinhard Rakow oder an den Geest-Verlag. Von beiden erhalten Interessierte auch die detaillierten Ausschreibungsbedingungen.