Helga Bürster rezensiert 'streckenweise farbenblind' von Olaf Bröcker - eine echte Rarität
Olaf Bröcker ist einer, den man auf den ersten Blick vielleicht übersieht. Wenn man die Geschichten aus seinem ersten Erzählband „streckenweise farbenblind“ gelesen hat, weiß man, dass dahinter Methode steckt. Olaf Bröcker ist einer, der gern im Hintergrund bleibt, um zu beobachten, um Stimmungen aufzunehmen, kleine Gesten, Mimiken, Handlungen, die Normalsterblichen verborgen bleiben. Und dann setzt er sich hin und schreibt, detailgenau, atmosphärisch dicht. Man liest und fragt sich anschließend, ob die Bilder, die einem im Kopf bleiben, nicht doch aus einem Kinofilm stammen. Oder aus einem Traum. Die Frau in der Bahnhofsunterführung, das alleingelassene Kind auf dem Volksfest, der Luftballon über Ütoya ...
Und dann die Sprache. Kein Wort ist zu viel, keines zu wenig. Es ist geradezu ein Genuss inmitten der Berge von Sprachmüll, die tagtäglich auf uns einstürzen.
Nicht alles ist leicht zugänglich, eher wie in einem Labyrinth. Jedes Lesen eröffnet neue Wege, neue Interpretationen, neue Sichten. „streckenweise farbenblind“ ist ein Buch, das man nicht schnell liest, aber mehrmals. Es bleibt im Gedächtnis. Eine echte Rarität.
Helga Bürster
19.01.2012
Olaf Bröcker
streckenweise farbenblind
Erzählungen und mehr
Geest-Verlag 2011
ISBN 978-3-86685-331-7
156 S., 11 Euro