Jenny Schon Erinnerungskultur Vor 66 Jahren

Jenny Schon

Erinnerungskultur
Vor 66 Jahren

In diesen Frühjahrstagen kommt sie wieder – die Erinnerung an das Ende des Krieges 1945. Sechsundsechzig Jahre ist es her. Am 27. April 1945 befreiten sowjetische Truppen das Zuchthaus in der Stadt  Brandenburg, das zu diesem Zeitpunkt mit ca. 3600 Häftlingen belegt war. Aus den Todeszellen konnten rund 180 Häftlinge befreit werden. Dieser Befreiung wurde am 28.April feierlich gedacht.
In der Zeit des Nationalsozialismus waren im Zuchthaus Brandenburg neben Kriminellen vor allem politische Häftlinge, die langjährige oder lebenslängliche Zuchthausstrafen verbüßten, zum Tode Verurteilte, Sicherungsverwahrte, Untersuchungsgefangene und Kriegsgefangene inhaftiert. In der 1940 eingerichteten Hinrichtungsstätte wurden durch die NS-Justiz rund 2.040 Menschen hingerichtet, unter ihnen Angehörige des Widerstandes aus vielen europäischen Ländern.
In den deutschen Landen sind an vielen Orten Gedenkstätten für die Opfer der Nazi-Gräuel, aber auch gegen die kommunistische Terrorherrschaft entstanden, ein eindrucksvolles Beispiel ist der Marienberg in der Stadt Brandenburg. Neben Gedenktafeln verschiedener Nationen wurde im
letzten Herbst zum Volkstrauertag für die 157 Tschechen, die im Zuchthaus Brandenburg während der Herrschaft der Nationalsozialisten
hingerichtet wurden, auch eine Tafel in deutscher und tschechischer Sprache aufgestellt.  Der tschechische Botschafter Rudolf Jindrák war anwesend. Während der Zeremonie wurden die 157 Namen verlesen.

In diesen Tagen wird auch an das Ende des 2. Weltkrieges gedacht.
Die Menschen in Europa konnten endlich wieder frei atmen. Für die von den Nazis geschundenen Menschen war der Terror vorbei. Für die Deutschen, besonders für die Frauen, Kinder und Alten in den Ostgebieten, im Sudetenland, begann der Terror. Millionen wurden in die Flucht gejagt, vertrieben, von den Siegern erschlagen. Für diese Opfer fehlen die Gedenkstätten. In den betreffenden Ländern wie Tschechien beginnt jetzt erst die Aufarbeitung und Trauerarbeit.

Um so mehr ist der Initiative der St. Nikolaikirche in Brandenburg zu danken, aller Opfer ungerechter Gewalt zu gedenken.
Die bedeutende mittelalterliche noch im romanischen Stil erbaute Backsteinkirche in Brandenburg, die nach der Wende wieder aufgebaut wurde, dient nicht nur der katholischen Dreifaltigkeitsgemeinde sondern ist auch eine Gebets- und Gedenkstätte. Sie ruft einmal im Monat zum ökumenischen Friedensgebet.

Auf einer Gedenktafel wird der “Opfer ungerechter Gewalt“ gedacht:
Christen, Kommunisten, Juden, Intellektuelle, Debile, Andersdenkende, Priester, Ausländer, Homosexuelle, Soldaten, Beamte, Lehrer, Arbeiter, Sinti, Roma, Unbeteiligte, Kinder

verhört, angeschrien, verspottet, gefoltert, vergast, eingesperrt, abgespritzt, erschlagen, erhängt, zu Tode gequält, enthauptet, erschossen, erwürgt, verhungert, verbrannt

schreiend, verzweifelt, ehrlos, umnachtet, mutig, haßerfüllt,
ahnungslos, jammervoll, hoffend, unschuldig, ergeben,
schweigend, ungebrochen, tröstend, betend

damals, gestern, heute, morgen, immer
immer?

Wachet und betet! (Mk. 14,38)