Jochen Keth - Dazwischengedanken - Blüten, die auf Nasenspitzen tanzen


Dazwischengedanken - Blüten, die auf Nasenspitzen tanzen
von Jochen Keth


Vom braven Poeten


Ein Dichter sucht nach Worten,
jene von den besten Sorten,
wenn er reimt, erdichtet,
Kritik darüber schlecht berichtet,
will er eifrig weitersuchen,
eigenen Erfolg verbuchen.


Für ihn ist ́s mehr als Spielerei,
stets ist er mit Spaß dabei,
mal strebt er nach dem tieferen Sinn,
mal neigt er sich zum Witze hin,
Schreiben ist und bleibt Passion,
Selbstgeschriebenes: Finderlohn.


So sitzt er fleißig Stund um Stund,
denkt sich die Gedanken rund,
taucht Federkiel in Tintenfass,
füllt roten Wein ins leere Glas,
führt seine Hand zum Blattpapier,
bis neue Worte rufen: HIER!


Bei Kerzenlicht trifft Schwarz auf Weiß,
mit jedem Punkt schließt sich der Kreis,
bei jedem Wort gewinnt ein Versmaß,
mit jedem Schluck verliert das Weinglas,
so schlägt die Uhr zur Mitternacht,
der Waldkauz seufzt: Es ist vollbracht!


Und stirbt dereinst Herr Schreiberling,
so tragt ihn brav zum Friedhof hin,
legt ihm treu ins Grab,
Federkiel samt Tintenfass,
sein Büchlein auch,
so ist es Brauch,
zum Abschied trinkt vom besten Wein,
dies soll es dann gewesen sein,
lasst ihn in Frieden ruh ́n,
er hat zu tun - er hat zu tun.


Segel setzen


Im kleinen Boot jenseits aller Menschen segeln
von sanfter Strömung treiben lassen.


Kraniche auf den Feldern.
Noch einmal legt sich warmer Wind auf mein Gesicht.


Und grüne Ufer neigen sich in die Ferne.

 


Um die Ecke fing die Freiheit an


Und so erkenne ich bei einem nächsten Schritt
altbekannte Straßen
einst mit Rollschuhen von mir eroberte
und hinter aufpolierten Toren
schmücken Häuser sich mit frischen Farben
atmen fremde Gesichter
längst verschwunden altvertraute
schmutzverschmierte Kinderwangen
erloschen alle Taschenlampenlichter
traute Stimmen
die mich Singen lehrten, Fluchen und Schweigen
über hohe Mauern führten
in verbotene Gärten
wo Wasserlatschen golden hingen
Löwenzahnträume blühten
Schaukelbrettlieder himmelwärts ritten
inmitten flüchtiger Stunden


Dort lagen wir mit aufgeschlagenen Knien
zwischen warmen Winden
und aßen von süßen Früchten
im Schatten des Zitronenfalters
der zur Dämmerung sein zartes Kleid zum Tanz bewegte
an einem Spätsommertag
als das Leben duftete wie eine wilde Blumenwiese


Was bleibt


Was bleibt,
wenn aller Zauber gebrochen,
alles verbannt,
alle Träume erloschen,
alles verbrannt,
alle Menschen in der Zeit verloren,
Kinder auf ewig ungeboren,
für alle Zeit, der Zeit entrissen,
wird man uns vermissen?


Was bleibt, wenn alle Hoffnungen verwehen?
Gibt es jenseits der Zeit ein Wiedersehn?