METIN BUZ - Der dritte Brief - Satiren und Kurzgeschichten (im Lektorat)




METIN BUZ

Der dritte Brief

Satiren und Kurzgeschichten

Geest-Verlag 2025

 Aus dem Nachwort

Nahezu alle Sprachen haben unterschiedliche Niveaus, deren Gebrauch die soziale Herkunft, das kulturelle Niveau oder den geistigen Zustand des Sprechers verraten. Diese Feststellung gilt auch für die Sprecher, unabhängig von der sozialen Herkunft, wenn sich ihr Sprachniveau infolge „der Beeinflussung des Denkens und des Verhaltens vom augenblicklichen Umfeld“ verändert. Man sagt zwar, der Mensch sei nicht das, was er sage, sondern das, was er tue! Dennoch können ausgesprochene Wörter, die wie ein geschossener Pfeil nicht mehr zurückgenommen werden können, eine bestimmte Wirkung erzielen, eben auch stark verletzen. Der Sprecher verrät mit der Art seiner Sprache nicht nur seinen Charakter, sondern auch sein Menschenbild.
Man sagt, dass manche Menschen sprechen, ohne vorher zu denken oder gedacht zu haben. Manche benutzen hinge-gen die Sprache als Waffe, um ihren Ärger oder Hass oder mögliche/angebliche, auch rhetorische Überlegenheit zum Ausdruck zu bringen.
Max Fellmann stellt in seinem Artikel „Ein Wortschatz wie ein Waffenschrank“  77 Jahre nach dem 2. Weltkrieg und circa 65 Jahre nach dem Eintreffen der ersten Gastarbei-ter in Deutschland fest, dass die deutsche „Alltagssprache voller Krieg und Gewalt steckt. In den genannten Zeiträumen schossen die Deutschen viele Munitionen, die auch ihre Ziele nicht verfehlt haben.“
Erschreckend ist auch die Tatsache, dass die Muttersprache, in der ein bestimmtes Bild von Menschen und Umwelt sowie eine Weltanschauung vorgegeben sind, das Denkmuster und die Handlung des Menschen unmittelbar beeinflusst. Der Philosoph im eurozentrischen Bestseller-Roman „Sofies Welt“ sagt seiner Schülerin Folgendes: „Die Vernunft zeigt sich vor allem in der Sprache. Und die Sprache ist etwas, in das wir hineingeboren werden. (…) Nicht das einzelne Individuum schafft die Sprache, sondern die Sprache schafft das einzelne Individuum.“
„Mit Erschrecken muss man wahrnehmen, dass Perversionen der Sprache eine viel stärkere Wirkung haben als die anderen Ausdrucksformen, eine Wirkung, die schwer oder kaum rückgängig zu machen ist.“  Der Missbrauch der Sprache, so Ackermann, beschränke sich nicht auf „bloße Sprache“, sondern greife radikal in die Alltagswirklichkeit ein, ändere die Beziehungen der Menschen untereinander und damit die Grundbefindlichkeit des Einzelnen.
Manfred Markefka stellt in seiner Untersuchung „Vorur-teile-Minderheiten-Diskriminierung“ fest, dass vornehmlich körperliche Merkmale (Hautfarbe, Körperbau) und kulturelle Eigenarten (wie Sprache, Essgewohnheiten) diese Wortbilder bestimmen, die eine Mehrheit als abwertende Wort-waffen einsetzen könne, um sich Minderheiten sozial unterzuordnen, sie vom sozialen Aufstieg, vom Zugang zu Machtmitteln und Einfluss auf das Wert- und Normsystem auszuschließen.“
Im Alltag und in der Arbeitswelt werden die Menschen – hier sind nur die Einheimischen gemeint – durch die Verwendung bestimmter Ausdrucksweisen und durch die systematische Wiederholung eines bestimmten Informationsgehalts beeinflusst. Der induzierte Gebrauch der Sprache, die bewusste Zusammensetzung von Wörtern/Sätzen zwecks Weitergabe von Informationen, die den Anschein einer unparteiischen Informationsvermittlung ausgeben, kann die Adressaten dermaßen manipulieren, dass dies ein fester Bestandteil seiner Meinung und Eigenschaft wird.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der jeweilige Gebrauch der Sprache das Denken, sein Menschen- und Weltbild sowie das Wissen des Sprechers verrät, Freude oder Glück weckt und sehr verletzend, aber auch politisch sehr manipulierend sein kann. Im Türkischen sagt man, „die Wunde des Messers heilt, aber die Wunde der Zunge – also der Sprache – heilt nicht!“
Der Informationsgehalt der offiziellen Nachrichten und Berichterstattungen ist sehr einseitig und manipulierend.