Reinhard Rakow - Das war das Jahr


Reinhard Rakow
Zwei Gedichte

Das war das Jahr

Das war das Jahr. War wieder voll von Morden
Katastrophen, Wundertaten, Jubel- auch und Trauertagen
Menschen ohne Hab und Güter, Männern in gestärkten Kragen
Die gelangweilt Gelder zählen, die sie hinterzogen haben
Vor dem Zugriff des Finanzamts, derweil sich an Kursen laben
Kriegsgeräteproduzenten aus der Reichen Welt, dem Norden.

Das war das Jahr. War wieder voll von Schwaden
Aus Kühlregistern, Auspuffrohren, Schornsteinschloten
Bränden, die Urwälder fraßen, da sie hoch zum Himmel lohten
Der, in seiner Haut durchlöchert, nicht mehr spannen mag den Bogen
Über Pole, zwischen denen unbelehrbar sich vermehrend Menschen wogen
Gleich der Flut, die stetig ansteigt und bedroht des Lebens Faden.

Das war das Jahr. Ein Jahr wieder für die Annalen
Als Zahlenpunkt auf einer Reihe gegen Endlich
Ein Jahr vertaner Chancen, unverständlich
Den Fehler mit dem Fehler trumpfend
Das dumpfe Menschentum abstumpfend
Gegen den Niedergang und seine Qualen.

2007/08


Reinhard Rakow
Sylvesterblatt

Und in der Zeitung steht geschrieben
Von dem was war im letzten Jahr
Wer wen wie vor sich her getrieben
Wo Monster nach dem Urteil blieben
An wem Kritiker sich rieben
Zu welcher Zuschauer Belieben
Zwei bildeten ein Paar

In Anzeigen wünscht man viel Gutes
Besonders dem, von dem man will
Dass er viel kauf´ und frohen Mutes
Schlechtes vergess´ und schweiget still

Still schweigen auch die Redakteure
Sie sind zum Schweigen angestellt
Als Feigenblatt das ehern schwöre
Stets zu verbergen wirklich Welt

In ihren tollen Fotoreigen
Lächeln die Schönen voller Huld
Die Zeitungstexte aber schweigen
Zu Geld und Macht und Macht und Schuld

Die Nachrichten, vorwiegend heiter
Gelten dem Schnee, mehr noch dem Sekt
Dem Feuerwerk, ´nem Glückesreiter
Und wann er wohl in welcher steckt

Die Katastrophen sind heut´ feiner
Und farbenfroh illuminiert
Todesnachrichten fallen kleiner
Die Jubelbotschaft dominiert

Die bunten Bildchen werden bunter
Die fetten Zeilen nehmen zu
Mit dem Niveau gehts weiter runter
Und mit dem Bouleveard aufs Du

Schau in der Zeitung steht geschrieben
Was kommen soll im nächsten Jahr
Wo Böller bei Nordwest-Wind stieben
Und wie es wird mit niedern Trieben
Und ist, vor Kam´ras sich zu lieben
Nach dem Gewinn der richt´gen Sieben... —
Nicht aber: Was man schreibt nach wes Belieben
Nicht: Dass es was es war geblieben
Nicht: Dass was kommen soll längst war.
2007

 


Rakow, Reinhard


Reinhard Rakow

geb. 1952 in Gelnhausen, Studium Rechtswissenschaften, Psychologie und Germanistik, lebt und arbeitet in Berne (Wesermarsch) als  Autor, Herausgeber und Maler. Sieben eigene Bücher (Romane, Novelle, Gedichte, Malerei). Diverse Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien, Feuilletonbeiträge. Herausgeber u.a. der Anthologien der Berner Bücherwochen. Initiator und Organisator von Veranstaltungsreihen ("Süddorfer E-Musik", "Edewechter Kunsttage", "Mnemosyne", "Berner Bücherwochen" u.a.m.). 2013 Libretto zur Oper "Sonnenklirren" von Günter Berger. Träger der Verdienstmedaille der Oldenburgischen Landschaft 2012. Siehe auch

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