Sebastian Schwentker - Depression
Sebastian Schwentker
DEPRESSION
Und dann irgendwann
kommt es wieder
Beim Falten der Wäsche vielleicht oder
beim Sichten alter Erinnerungsstücke
Ein Gefühl als
betätige jemand den Hebel der Zaubertafel
um mit einem einfachen Handstreich tonlos
dein mühsam gemaltes Gesicht
von der Oberfläche der Tafel zu wischen
Deine Blicke vertiefen sich
schauen unter die Häute der Dinge
und erblicken jenseits der
molekularen Strukturen
nur nichts
Deine Haut bleibt nicht länger
die Grenzschicht zwischen
drinnen und draußen
In Gedanken
ziellos kreisend ohne Unterlass
fällt ein bleiernes Tuch auf
deine schläfrigen Augen
das sich Farben und Träume
wie Löschpapier einverleibt
Du bewegst dich wie in einem Tümpel aus Teer
schwerfällig als müsse sich jede Bewegung
gegen das Gewicht der gesamten Welt stemmen
Was dann in den nächsten Tagen noch folgt
ist nicht mehr als die Wiederholung
der Choreografie
vom Wechsel deiner Gezeiten
Und erst kurz vorm Ertrinken
unten am Grund
des sich stetig vertiefenden Tümpels
wird dir dein Untergang scheißegal genug
um dich schließlich dem Auftrieb zu überlassen
Du wirst Zentimeter um Zentimeter
den nachlassenden Druck des Auftauchens spüren
und mit schmerzenden Sohlen
Schritt für Schritt
festen Boden gewinnen
Wenn du das nächste Mal in die Sonne blickst
wird es sein wie beim ersten Aufschlag
der Augen nach deiner Geburt
Und während der Tümpel noch
unter der Sonne
verdunstet
das Tuch verfliegt
und dein Sichtfeld sich weitet
wirst du ins Leben zurückfinden
oder das Leben findet in dich zurück
Ihr werdet euch gegenseitig behalten
für eine Weile
Und dann irgendwann
kommt es wieder