Trauer über den Tod von Johann Warkentin - Ein Nachruf von Wendelin Mangold

 

 

In tiefer Trauer teile ich mit, dass Johann Warkentin verstorben ist:
 

JOHANN WARKENTIN IST VON UNS GEGANGEN

Nachruf

Uns erreichte eine traurige Nachricht: am 9. April ist Johann Warkentin im Alter von knapp 92 Jahren von uns gegangen, ein großer Verlust für unsere Volksgruppe.

Literatur war für ihn alles, er war Dichter und Literaturkritiker, Sprach- und Büchernarr, seine Leidenschaft in Sachen deutsche Muttersprache, Kultur und Literatur der Russlanddeutschen war unübertroffen. Wie kein anderer war er sich seines Berufs und seiner Berufung bewusst. Er war der Nestor der russlanddeutschen Schreibenden, ihr Literaturpapst. Ein streitbarer Geist. Der Bewunderte. Der Unbequeme aller Stümper und Hinterwäldler.

Er schrieb Gedichte und Poeme, Artikel und Abhandlungen, redigierte und korrigierte, verfasste Lehrbücher und hielt Vorträge. Und alles was er in Angriff nahm, ließ aufhorchen und hinterließ Spuren. Auf dem Gebiet der Nachdichtungen hat er internationale Bedeutung erlangt. Er hinterlässt eine Vielzahl von Nachdichtungen aus dem Russischen ins Deutsche, wo seine tiefen Sprach- und Literaturkenntnisse, seine vielseitige Belesenheit und sein ausgeprägtes lyrisches Talent zur vollen Entfaltung kamen. Leider ist sein Lebenswerk dem deutschen Publikum noch weitgehend unbekannt geblieben.

Für diejenigen, die sein Leben und sein Werk näher kennenlernen oder in Erinnerung rufen wollen, folgen hier ein paar knappe Zeilen:

WARKENTIN, Johann, 11.5. 1920 Spat auf der Krim, Lyriker, Kritiker, Nachdichter, Redakteur, Publizist, Pädagoge und Lehrbuchautor. Nach der Schule Anglistikstudium in Leningrad, durch den Krieg unterbrochen, im ersten Blokadewinter Militärdolmetscher, 1942/46 Deportation nach Ostsibirien und Zwangsarbeit in der Taiga, dann illegale Rückkehr zum Studium, ab 1948 wieder in Sibirien, anschließend Sprachlehrer (Englisch, Deutsch, Latein) an Schulen und Hochschulen in Gorno-Alataisk, Barnaul, Alma-Ata und Ufa, aktiv bei der Neubelebung der rußlanddeutschen Literatur der Nachkriegszeit und der Autonomie-Wiederherstellung, 1969/80 Literaturredakteur der Wochenschrift „Neues Leben“ in Moskau, 1981 Übersiedlung nach Deutschland (Ostberlin). Hat einen individuellen Sprachstil, assoziations- und wortschatzreich.

Werke: Lebe nicht für dich allein (Gedichte und Nachdichtungen), Alma-Ata 1966; Stimmen aus den fünfzehn Republiken (Nachdichtungen), Moskau 1974; Gesammeltes (Verse und Nachdichtungen), Moskau 1980; Streiflichter aus der Kulturgeschichte (Porträts und Würdigungen), Alma-Ata 1981; Rußlanddeutsche – Woher? Wohin?, Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1992; Rußlanddeutsche Berlin-Sonette, Stuttgart 1996; Geschichte der rußlanddeutschen Literatur, Stuttgart 1999; Nachdichtungen – Höhepunkte der russischen Lyrik, Verlag Burau, Lage-Hörste 2000, Spuren im Sand. Gesammelte Verse. Verlag Burau, Lage-Hörste 2005.

STERNE
(Haiku)

 

     Zum Gedenken an
     Johann Warkentin

Sie erglühen nachts,
Ihr Auge durchdringt das All
Auf dem Weg zum Fall.

 

Im Namen russlanddeutscher Literaturfreunde, Dichter- und Schriftstellerkollegen

Wendelin Mangold