Tugba Aydin - Wenn die Kirchenglocken läuten (Jugendliche melden sich zu Wort am 20. März)

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Wenn die Kirchenglocken läuten ...

Liebe Dreya,

ich hoffe, es geht dir gut. Bei mir ist soweit alles in Ordnung. Du
fragtest in deinem letzten Brief, ob ich mich hier in Deutschland fremd
oder sogar daheim fühlen würde. Darüber habe ich mir Gedanken ge-macht,
und ich möchte dir dazu das folgende Erleb-nis erzählen:
Vor ein paar Monaten habe ich einen Film über Je-sus Christus geguckt.
Der Film begeisterte mich. In ihm ging es um die christliche Religion.
Er hatte etwas, das mich nachdenklich machte. Ich hatte plötzlich den
Wunsch, die christliche mit meiner, der islamischen Religion zu
vergleichen. Beide Reli-gionen haben eine Gemeinsamkeit. In beiden
glaubt man an einen GOTT. Das verwunderte mich. Doch als ich weiter
forschte, stellte ich fest, dass die beiden Religionen doch sehr
unterschiedlich wa-ren. Im Christentum denkt man, dass das Kind der
heiligen Maria auch das Kind Gottes sei. Im Islam weiß man jedoch, dass
Gott keine Frau und auch keine Kinder hat. Dass er Propheten schickte
und dass Jesus, das Kind der heiligen Maria, der vor-letzte Prophet war.
Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass die Christen denken, Gott habe
es er-laubt, dass einer seiner Propheten, also Jesus, ge-kreuzigt wird?
Wie du weißt, wurde er doch lebend in den Himmel in die Obhut Gottes
genommen! Es wurde doch nur einer der Verräter gekreuzigt!
Bei diesen Forschungen habe ich mich am Anfang im Christentum daheim
gefühlt, dann aber doch bei dem großen Unterschied sehr fremd. Es ist
so, dass hier jeden Sonntag in der Kirche die Glocken läu-ten. Wenn sie
läuten, vermisse ich den Gebetsruf der Moschee (Ezan).

deine Tugba

Tugba Aydin (16 Jahre)

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