NWZ bringt Rezension über Marianne Pumbs 'Unter uns Pastorentöchtern ...' von Udo Scheer

Das notwendige Lied von der Zahnbürste
Roman Als Christin in der DDR – Ein bemerkenswertes Roman¬Debüt
VON UDO SCHEER

Vechta „Ich habe diese Geschichte erfunden. Aber so ist es wirklich gewesen. Hier – und anderswo.“ So lauten die letzten Zeilen in Marianne Pumbs Gesellschaftsroman über das Leben in einem verschwundenen Land, das sie bestens kennt. Und zwar aus der Sicht einer 1961 in Mecklenburg geborenen Pfarrerstochter, die nicht in die sozialistische Pionierorganisation und nicht in die Freie Deutsche Jugend eingetreten ist.
Trotz ausgezeichneter Leistungen bekam sie als bekennende Christin in der DDR keinerlei Zulassung zur Erweiterten Oberschule und damit zum gewünschten Medizinstudium, ihrem Jugendtraum.
In Lyrikkreisen ist die Berlinerin Marianne Pump mit inzwischen drei Gedichtbänden, zuletzt „Die Liebe scheint wirrich“ (Geest¬Verlag 2008) keine Unbekannte mehr. Auch ihr Debütroman „Unter uns Pastorentöchtern“ ist erfrischend lebensnah. In ihm nimmt die Ich¬Erzählerin die Leser mal mit in Schmunzeln machende Kindheitsanekdoten, dann wieder in authentisch aufwühlende Selbstbehauptungsversuche einer Christin in der DDR.
Das Mädchen Maria ist stolz, ihren Vater zu seinen Predigten über die mecklenburgischen Dörfer begleiten zu dürfen. Sie ist beeindruckt vom Lied des kleinen Jonny, in dem er auf einer Demonstration vorangeht, Martin Luther Kings Rat befolgt und singt: „Wir haben unsere Zahnbürste dabei/und werden sie noch brauchen/eines Tages sind wir frei . . .“ Dieser schwarze Junge gibt Maria Kraft, wenn sie von den Lehrern verachtet und ungerecht behandelt wird.
Was dieses Buch auszeichnet, ist seine klare und eingängige Art des Erzählens jenseits jedes Moralisierens und eine selten zu lesende Ehrlichkeit der Hauptfigur, auch gegen sich selbst.
Für Maria ist es so absurd wie normal, dass sie statt zu studieren nur Krankenschwesterschülerin werden darf. In ihrer Ausbildung erlebt sie alle Facetten eines DDR¬Krankenhauses.
Am wohlsten fühlt sie sich dann bei den Landesjugendtreffen: „Wir waren unter uns Pastorentöchtern“.
Einmal trägt sie sich ein für das Vergnügen, bei dem Schwesternschülerinnen zum Soldatentanz gefahren zu werden. Es kommt zum Eklat, als „ihr“ Unterleutnant und sie den Schießbefehl diskutieren. Ihr Tänzer wird in eine Strafkompanie versetzt.
Später wird sie „ihren“ zum einfachen Soldaten degradierten Hans aus Zufall wiedertreffen, sie werden in
kirchlichen Friedenskreisen aktiv, und Maria wird das Lied vom kleinen Jonny singen, wenn sie zum Demonstrieren
fahren. Für den Fall der Festnahme haben sie ihre Zahnbürsten dabei.

(NWZ vom 28.06.2010)