Gedicht zum 1. Mai - Manfred Schwab: Glück
Schwab, Manfred: Poetisches TamTam
Manfred Schwab
Glück
Glück
Neunzig ist er geworden
(die Frau bald siebenundachtzig)
Beide noch rüstig
und leidlich gesund
Die Ehe hat gehalten
was man sich versprach
Nie im Leben im Krankenhaus gewesen
Zwei Weltkriege überstanden
ohne Schrammen und größere Verstörung
Trotz Inflation und Währungsreform
und Zeiten der Arbeitslosigkeit
ein Häuschen gebaut
drei Kinder miteinander gezeugt
ordentlich großgezogen
und mehr als einen Apfelbaum gepflanzt
An seinem Ehrentag
im Kreis der Kinder und Kindeskinder
gratuliert auch der Bürgermeister
und der Reporter vom Kreisblatt macht
von dem betagten Glückspilz ein Foto
Giück? sagt der Alte verwundert zieht
an seiner Pfeife und kratzt sich
bedenklich den kahlen Schädel
Nein - weder je im Lotto gewonnen
noch einen Blumentopf
aus den Glücksbuden am Annafest
Glück
hab ich mein Lebtag
nie gekannt