Dieter Wöhrle - Winter im Hinterhaus (Gedicht des Tages am 10.06.2011)

Hördatei: 

Winter im Hinterhaus

Schneegeriesel. Doris in der Küche
sieht aus ihrem Fenster auf den Hof.
Flocken tanzen hier den Winterschwof,
deckeln zu die Mülltonnengerüche.
Doris sucht Romantik, fühlt sich doof.

„Schön und sauber draußen, fast ein Segen“,
sagt sie zu sich, nippt an ihrem Tee,
„doch für mich nur Stress bedeutet Schnee.
Glatteis und kein Hauswart und von wegen
Streusalz: Nicht mal Asche im Karree!“

Weihnacht naht, und das bedeutet Kosten:
Enkel sprechen frei die Wünsche aus.
Nachzahlung für Heizung steht ins Haus,
nur die Rente ist schon lang am Frosten.
Doris spricht sich Mut zu, blickt hinaus

auf den Hof und seine weiße Hülle,
wo Herr Paulsen aus dem zweiten Stock
selbst bei Schnee will einmal um den Block.
Doch in all der Zuckergussidylle
rutscht und fällt er, holt sich fast nen Schock.

Früher Abend. Doris in der Küche
dreht das Licht an, blickt auf ihren Hof.
Flocken spielen, fordern auf zum Schwof.
Weg sind nun die Mülltonnengerüche.
Doris sucht Romantik, fühlt sich doof.

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