Lena Jahnke - Die Entdeckungsreise (Jugendliche melden sich zu Wort)

Hördatei: 

Andres Klink, Artur Nickel (Hg.): Wenn Wasser erzählt. Junge Texte aus dem Ruhrgebiet

 

Die Entdeckungsreise

Es war einmal ein kleiner Wassertropfen. Der war sehr neugierig und stellte seinem großen weisen Vater, der auch ein Wassertropfen war, jeden Tag unendlich viele Fragen. Der große weise Wasser-tropfen, der schon viel erlebt hatte, versuchte sei-nem Sohn all seine Fragen, so gut er konnte, zu beantworten.
Eines Tages, als der kleine Wassertropfen wieder einmal seinen Vater ausfragen wollte, forderte dieser ihn kurz auf zu schweigen. Er sagte, dass es nun an der Zeit sei, dass der kleine Wassertropfen erwachsen werde und sich von ihm trennen müsse, um mehr über das Leben der Wassertropfen zu erfahren. Er sei nun alt genug und habe ein bestimmtes Grundwissen. 
Da machte sich der kleine Wassertropfen auf den Weg in die große weite Welt. Er fragte sich, was er wohl Neues kennenlernen würde. Er freute sich bei der Vorstellung, mehr und mehr zu lernen und Freunde zu finden. Auf seiner Reise war sein erstes Ziel der nahegelegene Bach. Dort angekommen, hüpfte der kleine Wassertropfen ins Wasser und konnte dort unzählbar viele Wassertropfen entdecken. Er sprach sie an, doch sie machten sich keine Mühe, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er wollte schon aufgeben und nicht mehr weiterreisen, wenn alle Wassertropfen so abweisend waren. Er fand, dass es keinen Sinn mache, und wollte schon zurück zu seinem Vater, als ihn ein scheinbar riesiger Wassertropfen ansprach. Er war ganz freundlich und sanft. Wie es der Zufall so wollte, war der scheinbar riesige Wassertropfen vor einigen Jahren auch auf die Reise geschickt worden. So erklärte er sich bereit, den kleinen Wassertropfen auf seiner Reise zu begleiten.
Zusammen ging nun ihre Reise weiter. Ihr Weg führte sie schließlich, nachdem sie durch Bäche, Flüsse und in einen Ozean geflossen waren, über Umwege an einen Ort, an dem es heiliges Wasser gab. Der scheinbar riesige Wassertropfen erklärte dem kleinen, dass die Menschen dieses Wasser für sehr wichtig halten würden. Sie besäßen eine Religion, und in der sei geweihtes Wasser heilig. Der kleine Wassertropfen war begeistert. Er wollte auch heiliges Wasser werden und sich den anderen Wassertropfen anschließen. Kurz bevor er zu ihnen in einen Behälter springen konnte, stoppte ihn der riesige Wassertropfen und erzählte ihm, dass das nicht so einfach sei, heiliges Wasser zu werden
oder wenigstens ein Teil davon. Man müsse erst von einem Menschen heiliggesprochen werden. Das könne nicht jeder einfach so.
Ein bisschen traurig setzte der kleine Tropfen mit seinem Weggefährten die Reise fort. Sie reisten und reisten. Der kleine Wassertropfen lernte jeden Tag eine Menge dazu. Doch gar genug konnte er nicht bekommen.
Einmal wurden die zwei Teil einer Schneeflocke. Der riesige Wassertropfen erklärte dem kleinen, dass Wasser in vielen verschiedenen Zuständen vorkommen könne, zum Beispiel gefroren oder verdunstet. Teil einer Schneeflocke zu sein, war für den kleinen Wassertropfen das Größte. Die Menschen hatten da richtig Spaß mit ihm. Er hörte, wie der scheinbar riesige Tropfen zu ihm sagte, dass Wasser für die Menschen in vielerlei Hinsicht lebensnotwendig sei. Aber auch in Form einer Flut bedrohlich und lebensgefährlich sein kann. Er als Tropfen habe auch eine Art Verantwortung für die Menschen. Oftmals da zu sein, wenn der Mensch ihn brauche, was aber nicht immer leicht sei. Denn der Mensch sei auch oft verschwenderisch. Und so ist der kleine Wassertropfen auf seiner langen Reise immer mehr zu einem größeren Wassertropfen geworden. Und wenn der Wassertropfen nicht verschwendet wurde, dann reist er wohl noch heute …

Lena Jahnke (16 Jahre)