Nurgül Kilic - Der Abschluss (Jugendliche melden sich zu Wort)

Hördatei: 

Der Abschluss

Mühsam richtete ich mich auf in meinem Bett. 13.00 Uhr. Also hatte ich zwei Stunden, um mich für die Abschlussfeier fertig zu machen. Erschöpft ging ich zu meinem Schrank, holte mein Kleid raus und warf es auf mein Bett. Dann holte ich meinen Lockenstab, der in dem Regal hinter meiner Zim-mertür lag, und stöpselte ihn ein. Bis er heiß wur-de, ging ich ins Bad, um mich zu schminken. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir schon 14 Uhr hatten. Ich lockte noch die letzte Strähne meines Haares, die ich in meiner Hand hielt, und ging dann über zu meinem Kleid und bügelte es.
Eine halbe Stunde später, als ich mit dem Bügeln fertig war, zog ich mir das Kleid an und ging zu meinen Eltern, die an der Eingangstür auf mich warteten. „Wo bleibst du? Ich will das schnell hinter mir haben!“, motzte meine Mutter. „Ja, ja“, sagte ich, ging an ihr vorbei und stieg in das Auto.
Ich sah stumm aus dem Fenster und überlegte. Ich hatte auf die Abschlussfeier eigentlich keine Lust, da meine Mutter mich immer runterzog mit ihren Sprüchen. Sie war enttäuscht von mir, weil ich meine Quali nicht bekommen hatte und ‚nur‘ einen Realschulabschluss hatte.
Die Zeit verging viel zu schnell. Die Abschlussfeier zeigte mir, wie schnell wir alle doch erwachsen wurden. Jeder ging ab sofort seinen eigenen Weg, dabei hatten wir uns alle geholfen auf unseren Wegen. So verträumt, wie ich war, merkte ich gar nicht, dass wir schon angekommen waren. Ich stieg aus und ging rein, meine Eltern mir hinterher. Ich wollte einfach, dass alles hier so schnell wie möglich ein Ende hatte. Lehrer hielten Reden. Dann wurden Fotos gezeigt. Und am Ende wurden die Zeugnisse verteilt.
Ich sah mich um und betrachtete meinen Jahr-gang. Es gab viele glückliche Gesichter. Ich hatte mein Zeugnis mit keinem Blick gewürdigt, doch meine Mutter riss es mir aus der Hand. Sie guckte drauf. Plötzlich hatte sie ein großes Grinsen im Gesicht und umarmte mich. Ich wusste nicht, was los war. Ich genoss nur die Umarmung meiner Mutter.

Nurgül Kilic (17 Jahre)

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