Andreas Peters zum Gedicht von Günter Grass

Andreas Peters

Traum

(Nacht von Montag auf Dienstag, den 3.Januar 2012)

 

Ich hatte einen Traum. Ich halte sonst nicht viel von

Träumen. „Träume sind Schäume“ habe ich von Dichtern

gelernt. Und das Sahnehäupchen drauf ist nur Gischt.

Ich befand mich an einer Grenze. Iranische Grenze, wie

es sich später herausstellte. An den beiden Seiten der Grenze

waren Leute zu sehen. Irgendein Zaun war dazwischen.

Auf der anderen Seite schrie einer wie ein Marktschreier,

Agitator und Kriegszüngler und wetterte gegen die andere

Seite. Dieses Gesicht kam mir bekannt vor. Das

Säbelrasseln. In einer Pose vor Mikrofon wie eh und je.

Es ging hin- und her. Jede Seite versuchte die andere

Seite zu überzeugen, herüber-oder hinüberzuziehen. Dann

sah ich ihn, den Diktator. Er saß in einem Stuhl. Einem

einfachen Küchenstuhl. Aus Holz und ohne Lehne. Müde

sah er aus und ausgelaugt. Ich glaube, er hielt die Augen

geschlossen. Wie immer unrasiert und in seinem offenen

Anzug. Einundhalb – zwei Meter nach rechts stand ein

Küchenschrank. Ein Mann näherte sich und machte die

Schublade auf. Er zog ein langes Messer heraus. Ein

Küchenmesser. Es sah wie ein kleines Schwert aus. Ich

merkte sein Begehren und Vorhaben. Ich rückte in seine

Nähe und sagte: „Wer ein Schwert nimmt, der wird durch das

Schwert umkommen.“ Und ich fügte hinzu: „Es gibt Krieg.“

Ob ich gesagt habe „Es gibt sonst Krieg“, weiß ich nicht mehr.

Dann ging ich allein der Grenze entlang. Ich sah keinen Stachel-

draht oder sonstige Grenzbarrieren mehr. Vor mir lag ein Land

voller Steine und Felsbrocken. Steine des Anstoßes und Felsen

des Ärgernisses. Dass viele sich daran stoßen, fallen, gar

zerschmettert werden. In solch einer Wüste fand vielleicht

die Versuchung Jesu statt. Dann bin ich aufgewacht.

Dann erzählte ich den Traum meiner Frau.

PS.

Ich dachte an das iranische Atom-Programm. An Israel.

Dietrich Bonhoeffer und „Gregorianische Gesänge in der Nacht“.

Den Tyrannenmord. Ich dachte an die Christen im Land und ihre

Gefängnisse. Was hätten sie an meiner Stelle getan. Ich bat sie um

Vergebung. Für das was ich getan- und nicht getan habe.