Von Simone Brauns-Bömermann - Ingrid Mattfeld wohnt an der Moorstraße in Drebber, hat dort ihre Heimat gefunden und beherrscht zahlreiche Sprachen. Hochdeutsch, Plattdeutsch, Russisch und die wohl schönste aller Sprachen: Humor. Dieser kommt auch im zweiten Band ihres Buches „Hoch und Platt von beiden watt“ zum Ausdruck, den die Hobby-Autorin jetzt der Öffentlichkeit vorstellte. Im Rahmen einer Kunstausstellung ihrer Malkolleginnen las die 79-Jährige aus ihrem im Geest-Verlag erschienen Buch vor.
Doch bevor Mattfeld die vor Spannung platzenden Gäste erlöste, galt ihr Dank ganz besonders ihrem Verleger Alfred Büngen: „Danke, dass Sie mein Geschreibsel immer gut fanden.“ Stark untertrieben, es als „Geschreibsel“ zu titulieren, meinte der Fachmann aus Langförden. Er war der Meinung, dass Ingrid Mattfeld sich brillant zwischen Alltag und Intellekt befände und er selten eine liebenswürdigere Schreibe gesehen habe. „Das ist Pflichtlektüre für Drebber“, gab er den Gästen auf.
Nach dem großen Erfolg von Band eins ihrer kurzen Erzählungen und Reime stand für die Künstlerin fest: „Ich habe noch so viel über Region, Leute, Begebenheiten und Kurioses zu berichten“. Alles geschieht bei ihr hinter unergründbarer Fassade. Mit einem heiteren, augenzwinkernden Grundton nimmt sie die Besonderheiten und Liebenswürdigkeiten der Menschen in Norddeutschland aufs Korn.
Dass die Autorin das Plattdeutsche liebt, obwohl es nicht die Sprache ihrer Eltern war, erschließt sich schnell bei der Lesung. „Dorümme will ick jo on poor Dönkens ut use Dörp vertellen, de ick in Platt sammelt heff“, heißt es im Vorwort, das die Verfasserin in ihrer Lesung praktisch aufgreift. Aber in den folgenden fünf Kurzgeschichten erzählt sie nicht nur, was sie erlebt hat, sondern setzt sich in gereimten Texten auf Hoch- oder Plattdeutsch mit Problemen der Zeit auseinander setzt.
In der Geschichte „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ plädiert Mattfeld für autarkes Seniorenleben ohne Notruftelefon und Babyphon. Die Kurzgeschichte „De misslungene Bekehrung“ liefert malerisch das Titelblatt des Bandes: Ein nach Hause torkelnder Pfarrer, der Frieda und ihren Likör traf: „Wö schön, dat wi us mol hebbt dropen, schiet watt up Laster: Et ward wieter soapen.“ „Sie merken schon, nicht jeder Pastor ist heilig“, kommentiert Verleger Büngen die Szene.
In „De Notfall“ kommentiert die Drebberanerin wahre Geschichte, kombiniert mit psychologischem Verstand. Ganz philosophisch kommt derweil ihre Metapher „Das Jahr“ daher, die bei der Lesung verzückte Gesichter und leicht feuchte Augen hervorruft. Der Grund: Das zu Ende gehende Jahr in ausgeschmückter Beschreibung spiegelt den Menschen und seinen Lebenszyklus wider. Stimmung und Vergnügen bringt der Zeitgeist und verjüngt die letzte Etappe im Jahr und im Leben mit Feuerwerk und Lebensfreude.
Wer das Buch erwirbt und weiterliest, findet „Fantasien über die Schwerkraft“ und entdeckt Ingrid Mattfelds eigentliche Liebe und Ausbildung: die Naturwissenschaften. Denn die gebürtige Berlinerin hat sieben Semester Medizin in Göttingen studiert, bis sie sich aus familiären Gründen umorientierte, später aber fast 25 Jahre im St. Marienhospital Vechta in der Nuklearmedizin arbeitete.
Den Hang zur Naturwissenschaft verrät auch ihr lausbübischer Satz zu Beginn ihrer Lesung: „Schön, dass jeder einzelne von Euch so zahlreich erschienen ist.“ Mit dieser Formulierung meint sie es ganz ernst, denn nach ihren Recherchen besteht ein Mensch aus etwa zehn hoch 28 Atomen. Ihre Bücher versieht Mattfeld mit den eigenen listig, lustigen Grafiken wie die großen schwedischen Kinderbuch-Illustratoren es tun. Die Drebberaner haben ein liebenswertes Multitalent unter sich.