Heute gehen in die Bindung: Dieter Class - Moritz (2. Auflage) und Christa Dromowicz - Keiner wird mich weinen sehen (3.Auflage)
Dieter Class
Moritz
Mit Flügeln dem Leid entfliehen
Mit Begleitwörtern von Ministerpräsident a. D. Erwin Teufel, andrat Guido Wolf und Werner Klinger, Stiftung Liebenau
Geest-Verlag, Vechta-Langförden 2009
ISBN 978-3-86685-83-2
12 Euro
Moritz, der junge Familienvater, hatte einen Unfall erlitten, wie er
für jedermann und zu jeder Zeit möglich sein kann. Und was zu diesem
Zeitpunkt mit einem Unfall begann, wurde in der Folge zum FALL mit
schwersten Schädel-Hirnverletzungen mit „apallischem Syndrom", d. h.
Funktionsausfall der Großhirnrinde bei Erhalt der Versorgung
lebenswichtiger Zentren wie Atmung, Herz-Kreislauf, Verdauung. Der
davon betroffene Mensch ist vollkommen hilflos, in allen Bereichen
pflegebedürftig. Eine Heilung ist derzeit nicht möglich. Monatelanger
Aufenthalt auf der Intensivstation und im Krankenhaus erbrachte
keinerlei Besserung. Ver¬suche einer Rehabilitation über fast zwei
Jahre hinweg wurden durch ein Psychosyndrom erschwert, praktisch
vereitelt. Der Aufenthalt in einer Spezialklinik wurde nach vier Tagen
abgebrochen. Versorgung in häuslicher Pflege zerstörte die Familien.
Hilferufe bei der Poli¬tik offenbarten die Orientierungslosigkeit des
Gesundheitssystems.
Öffentlichkeitsarbeit verhallte ohne Echo. Keinerlei Heim oder
Einrichtung war für die Aufnahme des Schwerstbehinderten bereit. Nur
nach Überwindung größter Schwierigkeiten konnte eine Aufnahme in der
Psychiatrie erfolgen. Dort vegetierte Moritz über Jahre hinweg. Was
geht im Innern eines Menschen, seiner Seele vor angesichts der
demonstrativen Unfähigkeit, einen solchen FALL zu meistern? Nach fast
achtjähriger Odyssee konnte Moritz in der Stiftung Liebenau aufgenommen
werden. In Erkenntnis der Versorgungslücke wurde dort in der St.
Lukas-Klinik eine Station eröffnet zur Betreuung von Personen mit
erworbenen Hirnschäden. Die konsequente Realisierung des Leitmotivs „In
unserer Mitte - der Mensch" bewirkte bei Moritz eine Wende: Im Laufe
der Zeit konnte er, der innerlich total zerrissene Mensch, ruhiger
werden, sich festigen, Humor entwickeln und eine positive Ausstrahlung
darbieten. Nach 13 Jahren der Aufwärtsentwicklung hatte er sein Ende
geahnt und diese Vorahnung an seine Umgebung weitergeben können. In
tiefem Frieden konnte er seinen geschundenen Körper erlösen, welcher so
viele Fragen aufgeworfen hatte. Dieser kranke, innerlich einsame Mensch
konnte eine Überwindung vollziehen, welche unserer Naturwissenschaft
nicht möglich war. Er konnte etwas bewirken, zu dem wir mit all unserem
Wissen und Können nicht fähig sind.
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Christa Dromowicz’s Roman ‚Keiner wird mich weinen sehen’ kam erst
vor wenigen Wochen auf den Markt und erscheint bereits jetzt in der
dritten Auflage. Die Cloppenburger Autorin schildert darin einen
Lebensweg, wie ihn in ähnlicher Form viele Mädchen aus
Vertriebenfamilien gegangen sind.
Der Vater im Krieg gefallen, die Mutter mit ihren Kindern aus Schlesien
geflohen. Die Familie verschlägt es ins Cloppenburger Land.
Aus Sicht des Kindes, später des Teenagers und der jungen Erwachsenen
beschreibt die Autorin in diesem biografischen Roman das Schicksal
einer Flüchtlingsfamilie in den Jahren 1945 – 1961. Mehr als skeptisch
von der katholischen, ländlichen Bevölkerung beobachtet, wächst sie als
soziale Außenseiterin in einer ihr zutiefst fremden Welt auf, die ihr
Angst macht. Die neue Ehe der Mutter und der gemeinsame Bau eines
Hauses in Cloppenburg ändern daran wenig, zumal sich die neue Lebens-
und Wohnsituation als problematisch erweist. Zu offensichtlich sind
viele Widersprüche. Der Alltag von Strenge, Zucht und Ordnung steht im
Gegensatz zu ihrem Fühlen und Denken. Wie sollen Lernen, Leben und
Lieben Spaß machen, wenn die körperliche Züchtigung in der Grundschule
noch Alltag ist, die Lebenslust eines jungen Mädchens in die Zwänge
einer ‚Mädchen-Lehranstalt' gepresst wird, die moralisch-religiösen
Grundpositionen im Widerspruch zur Lebensrealität stehen. Doch eines
schwört sie sich auf dem Hintergrund all ihrer Erfahrungen: Keiner wird
mich weinen sehen!
Christa Dromowicz
Keiner wird mich weinen sehen!
Die Nachkriegsgeschichte einer
aus Schlesien geflohenen Familie
Vechta, Geest-Verlag 2009
ISBN 978-3-86685-174-0
470 S., 14 Euro