Lesen in Deutschland stellt 'Wenn Wasser erzählt vor'

Wenn Wasser erzählt

20.03.2013

Junge Texte aus dem Ruhrgebiet

http://www.lesen-in-deutschland.de/html/content.php?object=journal&lid=1161

 

© Geest-Verlag
© Geest-Verlag

Die neue Essener Anthologie „Wenn Wasser erzählt“ enthält auf über 300 Seiten Texte von Kindern und Jugendlichen aus dem Ruhrgebiet. Das Thema „Wasser“ ist geradezu zwischen den vielen Kulturen angelegt, in denen die jungen Autorinnen und Autoren zu Hause sind. Und so verwundert es nicht, wie breit das Spektrum an Beiträgen dazu ist und mit welcher Tiefe gerade sie sich damit auseinandersetzen. Oft schon auch mit einer erstaunlichen literarischen oder zumindest literarisierenden Qualität. Schreiben und Lesen sind zwei Seiten der einen Medaille. Die Jugendlichen haben sich, wie es scheint, für die Kante entschieden, um beides im Blick zu behalten.
Als Leseprobe veröffentlichen wir nachfolgend einen Text von Michelle Damaszek und das Gedicht „Von der Kunst des Wasserlauschens“ von Johanna Koch.


Die Geschichten, die das Wasser erzählt, sind meist die schönsten. Sie handeln von fernen Ländern, die es bereits durchreist hat, von Menschen, die ihm selbst ihre Geschichte erzählt haben. Denn das Wasser ist nicht nur ein guter Geschichtenerzähler, sondern auch ein besonders geduldiger Zuhörer. Es erzählt seine Geschichten auf die unterschiedlichsten Weisen, die man sich vorstellen kann: Man hört sie in dem leisen Plätschern des Baches, der stetig weiterzieht und dabei so einiges davonträgt. Man hört die Geschichten auch in dem tobenden Getöse der Wellen, die sich bei Sturm an den Felsen brechen, oder in dem gleichmäßigen Rhythmus der dicken Regentropfen, die gegen die Fensterscheiben prasseln.

Autorin: Michelle Damaszek (18 Jahre)

Von der Kunst des Wasserlauschens

Ein Tropfen Wasser kann
große Geschichten erzählen,
denn er kennt alle
Meere,
Flüsse,
Seen,
Teiche
und
den Himmel.

Und wenn ein Tropfen einmal erzählt,
dann erzählt er von fernen Ländern,
von langen Reisen,
von verzauberten Orten,
von großen Helden.

Wenn wir die Augen schließen
und dem Regen,
den reißenden Flüssen,
den tosenden Meeren lauschen,
erfahren wir vieles,
was wir vielleicht nicht glauben können,
das aber doch wahr ist.

Manchmal verstehen wir nichts,
ein anderes Mal sind wir fast
wie inmitten des Geschehens.
Das Wasser ist nicht nur Lebensquelle,
nein, es erinnert sich für uns
an längst Vergangenes,
wovon wir nichts mehr wissen.
Wenn wir könnten,
würden wir vom Wasser lernen
und so vielleicht die Welt
ein bisschen besser verstehen.

Doch die Kunst des Wasserlauschens,
die haben wir schon lang verloren
und damit auch all das Wissen,
das wir hätten erfahren können.

Aber irgendwann werden wir
sie wieder erlernen
und hören können,
was wir jetzt nur als
prasselnden Regen,
reißenden Fluss,
hoch schlagende Wellen
oder plätschernde Bäche
wahrnehmen können.

Autorin: Johanna Koch (14 Jahre)