Weser-Kurier mit Vorstellung von Reinhard Rakows Romanduo - Was vom Leben übrig bleibt

Was vom Leben übrig bleibt
Der Berner Reinhard Rakow hat ein Roman-Duo veröffentlicht / Ab Freitag ist er damit auf Lesereise

Lange Jahre war er als Rechtsanwalt und Notar tätig. Als Reinhard Rakow seine ersten Schritte hinaus auf den Literaturmarkt unternahm, war er bereits Ende 40. Am Sonntag begeht er seinen 60. Geburtstag. Doch statt zu feiern, begibt er sich lieber auf eine kleine Lesereise, um sein frisch erschienenes Roman-Duo vorzustellen.
Von Georg Jauken Berne·Lemwerder. James Joyce, Alfred Döblin, Marcel Proust. Wer Reinhard Rakow fragt, welche Autoren ihn faszinieren, erhält nicht die gängigen Antworten. Der Autor, der sich als Initiator der Berner Bücherwochen und Organisator klassischer Konzerte in Warfleth einen Namen machte, hält nichts vom literarischen "Einheitsbrei" US-amerikanischer Prägung. Wenn von den Absolventen des Literaturinstituts in Leipzig bis zu Uwe Timm (Am Beispiel meines Bruders) am Ende alle Autoren auf die gleiche Weise schreiben wie US-Erfolgsautor Jonathan Franzen (Die Korrekturen), wird es Rakow zu eintönig. "Das widerstrebt mir zutiefst", sagt der - noch - 59-Jährige. Was ihm bei diesen und anderen Autoren fehlt, sind die "Innenwelten".
Rund 1000 Buchseiten Als der ehemalige Rechtsanwalt und Notar aus dem Ammerland selbst zu schreiben begann, interessierten ihn vor allem diese "Innenwelten". Um sie geht es darum auch in den Romane, die der seit ein paar Jahren in Berne lebende Autor auf seiner Lesereise vorstellt. Los geht es am morgigen Freitag in der Begu Lemwerder (20 Uhr). Am Sonntag liest er in der Kulturmühle Berne (19 Uhr), wo er musikalisch von Ralf Brenner (Saxofon) begleitet wird.
"atem~pause. Roman in vier Sätzen" und "Konzert im Schloss. Roman in Fetzen" lauten die Titel der beiden im Geest-Verlag veröffentlichten Romane. Auf zusammen rund 1000 Buchseiten befragt Rakows "literarisches Ich", der im Verlauf der Handlung alternde Architekt und Hobby-Schriftsteller Egmont Eckhard, die Welt nach dem, was bleibt, wenn! das Leb en im Zustand eiliger Betriebsamkeit vorbeirauscht und Gedanken, die darüber hinaus gehen, nur in existenziellen, also meist bedrohlichen Situationen auftauchen.
"Jeder möchte gerne ein guter Mensch sein", sagt Rakow. Und doch tue jeder irgendwann gegen die eigene Vernunft und sehenden Auges böse, verbotene oder auch einfach nur falsche Dinge. Das ist es, was Rakow als Autor interessiert. Weder "atem~pause" noch "Konzert im Schloss" sind daher herkömmliche Romane mit einem chronologisch erzählten Handlungsstrang, einem Protagonisten, einer Bezugsgruppe und der Gesellschaft, in der sie leben.
Rakow hat stattdessen Erzählungen, Prosa und Lyrik miteinander verwoben und seine beiden Romane mit einem großen Trupp von unterschiedlichen Personen bevölkert. Vom Arzt über die Bäuerin, die Lehrerin, den Polarforscher und den Staatsanwalt bis zum Unternehmer, hat jede Figur ihre eigene Geschichte voller Tragik und Dramatik.
Die Leser begegnen ihnen, wenn der Alkohol sie an den Abgrund getrieben hat, sie des Lebens müde sind, der Krebs sie aufzufressen droht, sie ein Unfall ereilt hat oder der Pleitegeier über ihnen schwebt. Ausgestattet mit einer jeweils eigenen Sprache und überdies an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten bis hinein in die Zukunft agierend, wirft der Autor anhand ihrer Geschichten und den Selbstzweifeln des Schriftstellers Eckhard so unbequeme wie verstörende Fragen nach der menschlichen Existenz auf.
Der Leser wird dabei durchaus gefordert, aber auch belohnt, verspricht der Geest-Verlag — und zwar "mit einer kompromisslosen, packenden Prosa, dicht unterfüttert von Zeit- und Ideengeschichte, mit berührender Lyrik und einem mitreißenden Erzählstrom, in dem Momente der Hoffnung und des Glücks auffunkeln".