Zeitreise in Rathausmauern - Autor Heiko Schulze liest aus „Lenethun“
Reges Treiben herrscht am Samstag, 23. Juni, rund um das Osnabrücker Rathaus, dessen 500-jähriges Bestehen in Gestalt vielfältiger Programmpunkte gefeiert wird. Passend zum Ambiente des mittelalterlichen Geschehens auf dem Marktplatz kommt – ausgerechnet im Rathaus selbst - ein fast vergessener Kritiker des prächtigen Baus zu Wort.
Heiko Schulze, Autor von historischen Romanen über seine Heimatstadt, liest - diesmal sogar gehüllt in historische Gewänder - aus seinem jüngsten Buch „Lenethun. Aufstand gegen Rat und Klerus“. Die Lesung beginnt um 20.30 Uhr im Rathaus-Foyer. Die Textstellen entführen die Besucher auf eine spannenden Zeitreise in das Osnabrück zwischen 1488 und 1490. Zu Wort kommt der Schneidermeister Johann Lenethun, heftiger Kritiker des Rathausbaus und Wortführer eines Bürgeraufstands, der sich damals gegen die städtische wie kirchliche Obrigkeit richtete - und am Ende mit der tragischen Enthauptung des „Wutbürgers“ endete. Lenethuns beredsamer Widerpart ist Ertwin Ertman, Bürgermeister und Bischöflicher Rat, der bis heute als Vater des anno 1512 beendeten Rathausbaus gilt.
Heiko Schulze
Lenethun
Aufstand gegen Rat und Klerus
Historischer Roman
Mit einer Einführung von Karsten Igel
und einem Geleitwort von Karin Jabs-Kiesler
Nachwort von Nils Stickan
Geest-Verlag 2011
ISBN 978-3-86685-323-2
480 S., 15 Euro
Osnabrück 1488
Mit ausdrücklicher Billigung des Osnabrücker Bürgermeisters Ertwin Ertman zäunen Domherren und Großgrundbesitzer vormalige Gemeindeweiden ein. Osnabrücks „Ackerbürger“ können ihr Vieh nicht mehr - wie gewohnt - auf die Stoppelfelder in der Feldmark treiben. Die Stadtbevölkerung empfindet den Schritt als empörend. Unruhe gärt schon lange. Der letzte Tropfen bringt das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen.
Anlass zur Unruhe ist reichlich vorhanden: Der pompöse Bau des neuen Rathauses (wird 1512 fertig), der Abriss funktionstüchtiger Häuser für einen repräsentativen Marktplatz, eine Sondersteuer, um für hohe Schulden des Rates aufzukommen, teure Kriege, an denen Ertman persönlich verdient, Wut und Hass gegen Domherren und Pfarrer, die es sich steuerfrei gut gehen lassen. Alles entlädt sich in einem Aufstand, den der Schneidermeister Johann Lenethun anführt. Vieles scheint für die Aufständischen zu sprechen: Die Stadtschützen laufen zu ihnen über, die Einfriedung der Gemeindeweiden wird eingerissen und abgebrannt, die Feldmark gehört bald wieder allen. Doch die Herren im Rat, allen voran Ertman, agieren geschickt: Aufträge, Posten und Karrieren schwächen die Protestfront.
Der Roman, der sich akribisch an historische Überlieferungen hält, entführt uns eindrucksvoll in das Osnabrück des Spätmittelalters. Der Autor bedient sich eines Ich-Erzählers, des Gauklers Bruno Bringewatt, der die Leserschaft auf sehr persönliche Weise in das Geschehen einbezieht. Plätze und Menschen werden in anschaulicher Weise zum Leben erweckt und werfen ein Licht auf Probleme, von denen so manche noch heute brandaktuell scheinen.
Heiko Schulze
Jahrgang 1954, geboren und aufgewachsen in Osnabrück, gelernter Gymnasiallehrer für Geschichte und Kunst. Er ist Verfasser verschiedener Publikationen zu historischen, kommunal- wie allgemeinpolitischen Themen. Als Romanautor wurde er in den letzten Jahren bereits durch seine Bücher „Geplatzte Kragen“ und „Mit Feder und Hobel“ bekannt. Seit 1992 ist Heiko Schulze Geschäftsführer der SPD-Stadtratsfraktion und nebenberuflich Lehrbeauftragter an der örtlichen Hochschule.