18. April - aktueller Autor - Theodor Pelster

 

Theodor Pelster, 1937 in Krefeld geboren und dort aufgewachsen, studierte Germanistik, Geschichte, Philosophie und Sport in Bonn und wurde mit einer Arbeit über den „Stil der politischen Rede" promoviert.. Seit 1965 unterrichtete er an einem Krefelder Gymnasium, wurde Fachleiter für Deutsch am Krefelder Studienseminar und Referent für Lehrerfortbildungsveranstaltungen in den alten und neuen Bundesländern. Er war Autor und Herausgeber mehrerer Unterrichtswerke. Als freier Mitarbeiter der Volkshochschule Krefeld fuhrt er Literatur-Seminare und Autorenlesungen durch. Er ist Mitbegründer des seit 1992 jährlich zu vergebenen Niederrheinischen Literaturpreises. Seit 1965 ist er verheiratet, Vater dreier Kinder und inzwischen auch Großvater.

Veröffentlichungen: Noch einmal Ödipus. Roman 2001; Kellers Weihnachten. Roman einer Familie 2007; Aufgewachsen in Krefeld. Autobiographischer Bericht 2009

Veröffentlichungen im Geest-Verlag

 
Ausschnitt aus 'Die Reise nach drüben'
 
„Wie geht es eigentlich der Isa? Hast du noch Kon-takt?“
Die Frage kam unvermittelt. Während des Tages hatten wir über Gott und die Welt geredet, über die weit zurückliegende Schulzeit, über die Lehrer von einst und die Schule von heute. Wir waren mit dem Aus-flugsschiff über den Zürcher See gefahren, hatten uns von einer Stadtführerin die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen lassen, hatten an Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Georg Büchner und Max Frisch erinnert und uns dann „zum lecker bereiteten Mahle“ – Zitat aus der Voss’schen Übersetzung von Homers Odyssee – in der Kronenhalle niedergelassen.
Anlass war der dreißigste Jahrestag der bestandenen Abiturprüfung. Die Abiturienten von einst hatten in-zwischen ihre Arbeitsplätze und ihre Wohnsitze über Deutschland und Europa verstreut. Zwei von ihnen wohnten in der Nähe von Zürich und hatten das Kurstreffen vorbereitet. Aus unterschiedlichen Richtungen kamen die anderen als gestandene Männer ange¬fahren und eingeflogen, unter anderem der Mediziner und der Jurist, der Journalist und der Kaufmann, der Psychologe und der Berufsmusiker, der Landschafts¬architekt und der Finanzbeamte. Ich war als Kurslehrer von einst und inzwischen pensionierter Landesbeamter eingeladen und hatte mich auf dieses Treffen gefreut. Andererseits: Man weiß nie, was auf einem solchen Treffen verhandelt wird.
Acht von dreizehn Teilnehmern des einstigen Deutsch-Leistungskurses hatten sich morgens pünktlich um 10 Uhr an der Schiffsanlegestelle am Ufer der Limmat getroffen. Einer hatte noch kurzfristig absagen müssen; zwei waren familiär unabkömmlich. Ein Einziger hatte mit der Schule so radikal gebrochen, dass er auch mit der Kurs¬gruppe nichts mehr zu tun haben wollte. Bedauerlich, aber auch verständlich.
Es war Samstag und Mitte Juli. Die Sonne hatte den ganzen Tag über gebrannt. Ein paar Vorausschauende hatten breitkrempige Strohhüte mitgebracht. Sie wurden anfangs belächelt. Als wir dann auf dem Oberdeck des Schiffs saßen, bastelten sich einige der Unbehüteten Papierhelme aus Zeitungen, andere legten sich Taschentücher auf die Kopfhaut. Der spärlich gewordene Haarwuchs schützte nicht mehr hinrei¬chend.
Die Kronenhalle liegt zentral. Sie war von den ver-schiedenen Hotels und Pensionen, die individuell gebucht worden waren, leicht zu erreichen – zu Fuß oder auch mit der Tram, der Straßenbahn. Man hatte am Spätnachmittag eine Auszeit genommen, um sich „frisch zu machen“, wie es gewählt hieß, und sich „in ein anderes Gewand zu werfen“. Das allseits empfohlene Gasthaus zeichnet sich durch Qualität, Stil und durch seine Preise aus. Ich hatte Zürcher Geschnet-zeltes mit Rösti und Champignons gewählt – einerseits des Namens wegen, aber auch weil es auf der Preisskala ziemlich unten lag. Relativ gesehen. Dazu eine Karaffe Grauburgunder und eine Flasche Wasser.