20. Januar 2017 - aktuelle Autorin - Anna Schmidt

Anna Schmidt

geboren 1935, in der Burladinger Teilgemeinde Gauselfingen beheimatet. Begann erst 1995 mit dem Schreiben. Dies ist bereits ihr viertes Buch. Ihre literarische Vorliebe gehört den besonderen Menschen in unserer Gesellschaft. Aus ihrer jeweiligen Zeit heraus beschreibt sie die Figuren, führt den Leser an das Verstehen heran. So mischt sich bei ihr spannende Unterhaltung mit historischem Exkurs. Im Geest-Verlag von ihr erschienen:

Ein neuer Frühling erwacht

Der Frühling kündigte sich an. An den ersten warmen Tagen richteten wir uns in einer zugfreien Ecke meines Balkons ein. Hilde hatte sehnsüchtig auf uns gewar-tet, um ihre erweiterten Künste im Rummikup zu de-monstrieren. Dass wir aber viel dazugelernt hatten, damit rechnete sie nicht. Prompt gewann Albert die erste Runde. Jetzt musste sie höllisch aufpassen, um ihren Ruf als ‚Gelbe Gefahr‘ nicht zu verlieren. Diesen Ausspruch hörte sie gerne und sonnte sich darin.
Vielleicht denkt jetzt jemand „Kleinigkeit, was Kin-der freut”, das kann schon sein. Aber wenn man viele Tage ohne wirkliche Ansprache verbringen muss, kann man verstehen, dass jeder noch so kleine persönliche Erfolg einen großen Gewinn bedeuten kann. Wir ver-brachten glücklich einige Stunden in unserer Balkon-ecke. Die Sonne im Gesicht, ein gutes Getränk und dazu Unterhaltung mit netten Freunden – was bitte kann schöner sein?
Vielleich das? Es kann genauso schön sein, es sich auf dem Liegestuhl gemütlich zu machen und in die Sonne zu blinzeln. Um mich herum Gesumse. Ich drehe meinen Kopf auf die Seite und beobachte einen Käfer, wie er die Spitze eines Blattes erklimmt, das mir in den Schoß gefallen war. Sein Panzer schimmert wie Perlmutt. Ich strecke meinen Arm aus und biete ihm meinen Finger an. Nur zögerlich verlässt er sein Blatt. Im steten Wechsel seiner Fühler tastet er sich voran, bis er mein Handinneres erreicht. Langsam krümme ich meinen Finger, so langsam, dass dem Käfer genug Zeit zur Flucht bliebe. Doch er flieht nicht. Ein Fehler, wie er später merkt, wenn es ihm eng wird ums Herz. Wenn ihm die Luft dünn wird, weil ich meine Hand schließe und ihn einsperre. Da hilft alles Schillern nichts mehr. Eine Weile bleibe ich noch liegen, dann stehe ich auf und gebe ihn frei. Ein bisschen bleibt er fast bewegungslos sitzen, dann krabbelt er in die Freiheit. Ein schöner Tag, wie ein Krokus im Schnee.
Ende März saßen wir zwar im Sonnenschein auf dem Balkon, aber es wehte ein kalter Wind. An Sommerkleidung und sich im Liegestuhl die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, war noch nicht zu denken. Man könnte sich auf der Schwäbischen Alb dabei rasch einen Schnupfen holen. Wir hatten alle genug vom Winter. Jeder Sonnenstrahl erfreute uns.