28. September 2015 - aktuelle Autorin - Karin Gloger

Karin Gloger

wurde 1950 in Gavendorf bei Uelzen geboren und wuchs mit zwölf Geschwistern auf. Als ältestes Mädchen musste sie früh Aufgaben übernehmen, zuerst Babys füttern, baden, wickeln, später Riesenportionen Kartoffeln schälen und für die 15-köpfige Familie das Essen kochen. Für ihre Geschwister war sie die Ersatzmutti, ein Grund mit, warum es nur einen Beruf für sie geben konnte: Krankenschwester. Sie sagt immer, sie habe so ein großes Herz, da hätten viele Menschen Platz.

 

Veröffentlichungen im Geest-Verlag

 

UNGEWOLLT, ABER GELIEBT /Ausschnitt aus Zügel des Lebens

Die Beine winkelt sie an ihren unförmigen Leib, macht sich dabei klein, schließt fest die Augen, wie im Schüttelfrost liegt sie zitternd in dem schmalen Gebärbett. In dem Glauben, dem Zittern so Einhalt gebieten zu können, presst sie ihre eiskalten Hände gegen die straff gespannte Bauchdecke. Unter der gestärkten, schneeweißen Bettdecke wirkt sie noch blasser und hohläugiger, als sie es tatsächlich ist.
So in sich zusammengekauert, wagt sie es nicht, die in die Jahre gekommene Hebamme um eine zweite Decke zu bitten. Die schlägt die Bettdecke zurück und befiehlt ihr, sich auf den Rücken zu legen. Schwerfällig dreht sich Mutter und lässt die Untersuchung regungslos über sich ergehen, bleibt auch teilnahmslos, als die Hebamme wohl zum hundertsten Mal meint, dass nun bald alles überstanden sei. Jedes Zeitgefühl hat sie verloren, vergebens versucht sie sich zu erinnern, wie lange es wohl her ist, dass der Krankenwagen sie in die Klinik gebracht hat.
Eine neue heftige Wehe droht sie zu zerreißen. Als der Schmerz endlich nachlässt, gräbt sie sich völlig erschöpft tiefer in das Kissen ein und lauscht in sich hinein. Im stummen Gebet wendet sie sich an ihren Schöpfer und bittet ihn, ihr bei der Geburt ihres Kindes beizustehen.
Als die nächste Welle des Schmerzes ihren Körper durchflutet, hält sie nur noch mühsam einen Schrei zurück. Doch sie will auch jetzt nicht klagen, will alles ertragen, so wie sie immer alles erträgt. Lieber beißt sie sich die Lippen blutig und weint ihre Tränen still in sich hinein, bis sie denkt, es nicht mehr ertragen zu können und am Schmerz zu ersticken. In demütigem Glauben erzogen, gibt sie sich selber die Schuld an dem Schmerz, weiß aber nicht warum, fragt Gott in Gedanken immer und immer wieder nach dem Grund seiner Strafe. ‚Welche Sünde habe ich begangen, dass ich das alles ertragen muss?’
Auch wenn sie auf diese Frage keine Antwort findet, gibt ihr die Zwiesprache mit Gott Frieden, macht den Schmerz erträglicher und die Hoffnungslosigkeit für die Zukunft hinnehmbarer.