Lesermeinung zu Barbe M. Linkes Buch 'Bertrams Spur'
außerordentlich lesenswert
Die Lektüre von Barbe Maria Linke's Werk 'Bertrams Spur' ist keine leichte Kost.
Johan Bertram, ein Architekt mit einem Spezialgebiet alter Bauweisen, hat die Gelegenheit, auf einer Forschungsreise nach Mexiko bei der Freilegung einer präkolumbianische Stadt, Monte Albán, mitzuwirken. Diese Reise ist keine Vergnügungsfahrt und kein Forschungsaufenthalt im üblichen Sinne - es wird ein Abenteuer - vermischt mit dem Aufbrechen von Erinnerungen an sein früheres Leben. Bei der Schilderung von Bertrams Lebensabschnitten holt die Autorin weit aus. Der Leser wird mit Personen und historischen Ereignissen - oft nur kurz - konfrontiert. Insofern ist das Buch ein Kaleidoskop, das einen knappen Einblick in deutsche Geschichte, mexikanische Historie und Götterwelt bietet.
Barbe Linke wechselt gekonnt Erzählperspektiven und zwingt den Leser so, sich stets zu konzentrieren, um z.B. für sich eine Begegnung zwischen Bertram und Johan richtig interpretieren zu können. Hinzu kommt oft eine raffinierte Vermischung von Realität und Fiktion. Dies wird u.a. deutlich an Cara, einer mexikanischen Sängerin, die einen bemerkenswerten Auftritt in Berlin hat. Helle, die Lebensgefährtin von Bertram, legt ihm den Besuch der Veranstaltung dringend nahe - Bertram geht auch hin und ist von Cara total begeistert und fasziniert. Das geht soweit, dass Cara in Bertrams Vorstellung von einem leibhaftigen begehrenswertigen Weib zu einer mexikanischen Göttin mutiert, die für ihn 'das alles bestimmende weibliche Prinzip verkörpert'.
Zum Ende der Erzählung nimmt Bertram an einem Bootsausflug mit Octavio, einem Dorfältesten, teil. Bei den eindrucksvollen Gesprächen zwischen den Beiden fallen die Sätze: 'Jedes Leben ist ein eigener Kosmos. Wer das verstanden hat, akzeptiert nicht nur seine eigenen Macken, er respektiert auch die der anderen.' Schöne und nachdenkenswerte Sätze, die die Erzählung wunderbar abrunden.
W. T. , Beriin