Nina Tröger - Gedankengutprotektionismus oder My home is my bubble (Ausschnitt)

Gedankengutprotektionismus
oder
My home is my bubble

Diesen Text werden nur Menschen lesen oder hören, die sich wie ich für linksgrünversiffte Inhalte interessieren.
Menschen, die wie ich zu Lesungen gehen.
Oder zu politischem Kabarett.
Dort lasse ich mir im bequemen Sessel mit einem Glas Weißwein zwischen den Fingern mein intellektuelles Ego streicheln.
Menschen, die wie ich bei Poetry-Slams lesen.
Pathosgarantie im Fastfood-Modus.
Ich nicke dann mit wichtigem Gesicht und bin sehr berührt von dem zehnmal dreiminütigen Tiefsinn, den ich auf mich selbst herabrieseln lasse.
Manchmal lache ich auch.
Wenn ich dann nach Hause gehe, fühle ich mich gut, weil ich mir gute Texte angehört habe.
Mal wieder politisch sein.
Für einen Abend.
Manchmal gehe ich auch zu Demos.
Zu Fridays for Future zum Beispiel, weil ich gut finde, was die jungen Leute da machen, oder weil ich gerade sowieso in der Fußgängerzone war.
Oder auch mal zu „Mittwochs gegen Rechts“.
Alerta, alerta! Antifascista!
Mittenrein, mittendrin. In der Mönckebergstraße hallt es so schön von den leeren Bürogebäuden wider.
Dabei kann ich sonst gar kein Italienisch, jedenfalls nicht, wenn es über „uno litro vino rosso de la casa, per favore“ hinausgehen soll. Na gut, „una insalata mista“ geht auch noch.
Aber dort auf der Demo, da skandiere ich den italienischen antifaschistischen Schlachtruf, als würde ich hier und jetzt dem leibhaftigen Mussolini gegenüberstehen und die Zukunft Europas hinge nur von mir ab ...
Ja, und das tut sie doch auch!
Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?
Das stimmte doch schon immer.
Zusammen mit den dreihundert anderen Menschen auf meiner Seite des Zauns rufe ich „Nazis raus!“ und singe „Eure Kinder werden so wie wir!“.
Wir lachen dann.
Wir, die wir uns einig sind.

Diesen Text werden nur Menschen lesen oder hören, die in meiner Blase leben. Willkommen zu Hause!

my home is my bubble

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