Presse stellt Sönke Zanders 'Kriegstagebuch' vor

Nordenhamer schreibt Gedichte über den Ukraine-Krieg

Der russische Ukraine-Krieg hat den Dichter Sönke Zander zum Schreiben veranlasst. Entstanden ist das Werk „Trauertage. Ein Kriegstagebuch.“ In seinem neuen Gedichtband taucht auch der Name des berühmten Liedermachers Wolf Biermann auf.

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Sönke Zander hält sein neues Buch in die Kamera.

In seinem lyrischen Kriegstagebuch verarbeitet Sönke Zander die Ereignisse des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.


Foto: Hanke

 


Als Russland am 24. Februar die Ukraine angreift, ist der Nordenhamer Dichter fassungslos: „Als der Krieg ausbrach, hat mich das richtig schwer geschockt“, sagt Sönke Zander. Die schrecklichen Ereignisse wecken bei dem 81-Jährigen, so wie bei vielen seiner Generation, Erinnerungen an die eigene Kindheit. Zander ist zu Beginn des Zweiten Weltkrieges,1940 in Husum geboren. Seine Jugend steht anfangs noch „im Bann des Krieges“, wie er sagt. Nicht nur das Reden der Eltern oder der Verwandten über ihre schrecklichen Kriegserfahrungen, vielmehr das Schweigen darüber, prägen ihn: „Da war immer etwas Finsteres und Bedrohliches, das man so im Hintergrund hatte“, erinnert er sich.

 

In der Regel versucht Zander seine Gedichte möglichst objektiv zu halten. In diesem Band bricht er jedoch damit und lässt an manchen Stellen Einblicke in seine Vergangenheit zu. In dem Gedicht „Die Gruft“ verarbeitet Zander eine Erinnerung aus seiner Schulzeit. Damals hat es mehrere Kinder in seiner Klasse gegeben, die durch den Krieg in ihren Fähigkeiten beeinträchtigt gewesen sind. Manche von ihren waren länger verschüttet und konnten nicht sprechen. „Solche Erlebnisse kommen dann wieder hoch.“

 

Zeichnungen von Ariane Litmeyer

Die schwarz-weißen Zeichnungen von Ariane Litmeyer visualisieren die Gedichte Zanders und setzen spezifische Eindrücke abseits der direkten Gewalt in den Mittelpunkt.


Foto: Ariane Litmeyer

 

 

Seit knapp acht Monaten bestimmt Russlands Krieg in der Ukraine die täglichen Schlagzeilen. Nachrichten über Tod, Gewalt und Flucht. In jedem Gedicht des Tagebuchs nimmt Zander Bezug auf ein Kriegsereignis, eine dieser Nachrichten. In seinem Buch verbindet er drei Ebenen: Die Gegenwart, die Vergangenheit in Form seiner eigenen und teils kollektiven Kriegserinnerungen und seine Gedanken über die Zukunft. Neben Sonetten erwartet den Leser auch Zeichnungen von Ariane Litmeyer, ihre schwarz-weißen Skizzen visualisieren die Texte Zanders.

Intensive Korrespondenz mit Wolf Biermann

Wolf Biermann leitet das Kriegstagebuch mit jeweils einem Gedicht ein und aus. Seit gut zwei Jahren steht Zander mit dem bekannten deutschen Liedermacher und Schriftsteller in Kontakt. „Wir schicken uns Texte hin und her und sagen uns unsere Meinungen hierzu“, erzählt Zander und erwähnt stolz, dass ihre Briefe inzwischen schon einen dicken Ordner füllen. Ihre Korrespondenz beginnt mit einem Gedicht, das Zander Biermann verspätet zu seinem 80. Geburtstag schickt und in dem er sich als Fan outet. Über ihre Leidenschaft für Lyrik seien sie im Geiste verbunden. Einen Tag, nach dem Russland in die Ukraine einmarschiert, verfasst Zander das erste Sonett des Kriegstagebuchs. Genau am selben Tag bringt auch Biermann seine Gedanken hierzu zu Papier. Beide beginnen ihre Texte mit einem Bezug auf das Kriegsgedicht des deutschen Dichters Matthias Claudius. „Wir beziehen uns beide auf die erste Zeile ‚Es ist Krieg, es ist Krieg‘. Das zeigt mir, wie ähnlich die älteren Leute doch manchmal ticken.“

 

Wie bei jedem Tagebuch ist für Zander das Kriegstagebuch eine Art Selbsttherapie, das Loslassen von Gedanken und das Verarbeiten eigener Emotionen. Aber wieso sollten es auch andere lesen? „Das weiß ich auch nicht, ehrlich gesagt“, scherzt Zander und fährt in einem ernsteren Tonfall fort: „Wenn man die Gedichte Stück für Stück liest, hilft es einem hier und da seine Gedanken zu sortieren.“ Er wolle mit seinen Texten nicht belehren, sondern zum Nachdenken anregen. Über die 37 Gedichte hinweg ist eine Entwicklung zu erkennen, vieles, was Zander anfangs zu Papier gebracht hat, würde er heute anders formulieren, anders denken. „Aber das gehört eben auch zu einem Tagebuch dazu.“