Rezension von Amanda Wurm (Hg.) mit Jule Bödecker, Greta Götting, Neo Götting u. a.: Wie ein leiser Schatten - Eine Schulklasse unter dem Hakenkreuz
Mit Spannung habe ich das Erscheinen dieses besonderen Buches erwartet, und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht. Hatte ich doch 2016 bereits den im Geest-Verlag erschienenen ‚Vorgänger‘ „So bleibt mir nur die Hoffnung – Roman über das Leben von Jugendlichen im Nationalsozialismus“ gelesen, ihn für ein kleines Meisterwerk jugendlicher Schreibkunst gegen das Vergessen befunden und für ein Jugendmagazin rezensiert.
Nun liegt also nach neun Jahren das zweite Projekt als Roman vor, wieder geschrieben von SchülerInnen im Rahmen eines Seminarfachs, die sich in fiktive Rollen einer Schulklasse des Dritten Reiches begaben. Als Orientierung dienten historische Vorlagen.
Unter der Leitung von Olaf Bröcker, Geschichtslehrer am Gymnasium Antonianum in Vechta und in Begleitung von Verlagsleiter Alfred Büngen, ist ein sehr gelungener und glaubwürdiger Roman über das Grauen im nationalsozialistischen Deutschland entstanden, das ab 1933 plötzlich auch in den Schulalltag einzogen war.
Vechta 1933-1945: Rassenkunde, Judenhass, völkisches Gedankengut, Hitlergruß, Zwangsbeitritt in die HJ und den BDM, sind nur einige der Neuerungen, mit denen sich nun nicht nur die SchülerInnen konfrontiert sehen.
Klassenkameraden werden bald schon zum Kriegsdienst an der Waffe eingezogen. Die einen verabschieden sich mit jugendlicher Hitzköpfigkeit und vermeintlichem Stolz an die Front, um ‚Führer‘ und Vaterland dienen zu dürfen, die anderen mit innerer Ablehnung und Angst vor dem Tod. Nicht wissend, dass es für einige der blutjungen, unerfahrenen Wehrmachtssoldaten ein Abschied für immer sein wird …
Kriegsgeschehnisse, Gefühle wie völkisches Denken, Trauer, Ängste, Glauben und die Zwiesprache mit Gott, selbst das Hineinversetzen in das „eigene“ Sterben, den Schmerz spürend bis zum letzten Atemzug, teilweise in (Prosa-)Gedichtform dermaßen realistisch und unglaublich poetisch darzustellen, hat mich tief beeindruckt und so manches Mal berührt.
Ein großes Lob an alle AutorInnen des Romans. Ich fragte mich, wie junge Menschen sich dermaßen glaubwürdig in das Grausame und Endgültige hineinversetzen können.
Für mich persönlich war es ein interessantes, aufschlussreiches literarisches Wiedersehen mit den Protagonisten Inge, Waltraud, Karin, Siegfried, Hans und Horst und ihren Mitschülern, deren Schicksale mich damals sehr berührten, sich im Kontext zum zweiten Roman zwar ähneln, aber von den jetzigen AutorInnen doch noch einmal anders und auf ihre eigene Art und Weise hervorragend dargestellt wurden.
Hier ist ein lebendiges Erinnern gelungen.
Gerade jetzt, mit dem weiteren Erstarken der hassverbreitenden AfD, ist es wichtiger denn je, gerade auch in Form von Literatur, an die entsetzlichen Gräueltaten des Dritten Reiches zu erinnern und zu zeigen, wohin rechtes Gedankengut geführt hat und nie wieder führen darf.
Heike Avsar