Gedicht des Tages

Wolfgang Buchhorn - Grenzen (Gedicht des Tages)

Wolfgang Buchhorn
Grenzen

 

Grenzen

Grenzenlos-sein
Ein bildloser Traum
Von sehnsuchtsvoller
Anspruchsloser Jugend

Grenzen umgehen
Grenzen überspringen
Aber
Lässt Freiheit zerbröseln
Wie abfallender Stuck

Grenzen wollen erfahren
Durchlitten, gebildet sein
Manchmal schlaflos
Und mit blutig zerkratztem Schrei
Und dann die Begrenzungen
Hassen
Und
Mit einem mutigen Sprung
Sie
In Freiheit
Lassen

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Hanna Freund - Ohne Titel (Jugendliche melden sich zu Wort)

Du bist so cool, du blendest alle

Tiefste Nacht, du leuchtest hell

Wie machst du das? Komm, zeig es mir

Läufst durch die Straßen, schicke Socken

Musik läuft auch, wie, nur für dich?

Kauend schlenderst du umher, den Blick geradeaus nach vorne, mal nach rechts und mal nach links

Den Kopf, der bleibt, bewegst du nicht, nur Augen rollen hin und her

Die Ohren blitzen, Haare schimmern

Deine Klamotten, oh mein Gott! Du trägst die Bücher auf den Jacken, Shirts und Unterhosen

Wie macht man das und darf man das

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Ulrike Kleinert - Untersuchung zwecks Ausstellung eines ärztlichen Attestes (Gedicht des Tages)



 

Auf dem Bogen
ein kleines Kästchen,
das auf ein Kreuz wartet:
Krankheit und Behinderung?
Dünn geschrieben, ein Zusatz,
auch infolge von Krieg.

Abgetastet werden,
Mann, Frau, Kind,
als könne ihr Fleisch
alte Schmerzen verraten.
Abgehorcht ihre Brustkörper,
als klinge in ihnen
der Hall von Schüssen.

Wie sollen
in das kleine Kästchen
die Albträume passen,
wie die geweinten Tränen
und die ungeweinten?
Bannt das Kreuz die Schrecken?

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Manfred Schwab - Nächtliche Bahnfahrt

Manfred Schwab

Nächtliche Bahnfahrt nach Polen
(für Krystyna Szlaga)

Die Verladung in Nürnberg klappt reibungslos
Mit dreihundert Leuten vollgestopft
Männern Frauen Kindern
verläßt der Sonderzug pünktlich
die Reichsparteitagsstadt

Irgendwann in der Nacht
werden die Pässe eingesammelt
irgendwann in der Nacht
Grenzen passiert
Neben mir der fremde Mann
röchelt und stöhnt im Schlaf
Die Kinder atmen ruhig
Irgendwann durchkämmen
Uniformierte den Zug

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Sabrina Wilms - Zeichenpfade (Jugendliche melden sich zu Wort)

Zeichenpfad

Wenn ich diesen Pfad entlanggehe, komme ich mir vor, als würde ich durch ein Tor aus unse-rer Zeit in eine andere Zeit schreiten. Die Welt um mich herum ist plötzlich schwarzweiß, an mir laufen Menschen vorbei. Ich sehe sie nur verschwommen, ein Meer von Schatten. Einer sieht aus wie der andere, und doch verbindet sie etwas, die Kleidung, der Blick, mit dem sie auf das Tor zugehen, so, als kämen sie von der Arbeit und seien nicht gerade auf dem Weg dorthin.

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Pablo Neruda -Ostseeruinen (von Pablo Neruda autorisierte Übersetzung aus dem chilenischen Spanisch von Heinz Fischer, München )

 

 

Ostsee-Ruinen

Danzig, vom Krieg zersiebt,
zerrissene Rose -
wie ein Gespenst unter Gespenstern,
zwischen dem Meergeruch
und dem hohen hellen Himmel,
zwischen orangesilbernen Trümmern,
ging ich durch deine Ruinen.
Der Nebel drang mit mir ein,
die eisige Schwade,
und im Herumirren
entwirrte ich die Straßen
ohne Häuser und Menschen.

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