Gedicht des Tages

Volker Gallé - kichern (Gedicht des Tages)

kichern


graugänse segeln durch den holunderwald.
zischen tränentraurig zwischen
blatt und ast.
regen zerstäubt mutlos am fensterglas und
nässt vorsichtig den asphalt.
darin sich das himmelsgrau spiegeln möchte.
die telefonleitungen hängen dünn von haus zu haus.
niemand greift zum hörer. um zu sprechen.
selbst das hören entfernt sich
schrittweise und verhallt.
an so einem tag hat varus seine schlacht verloren.

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Werner Hardam - Konsumwidriges Verhalten (Gedicht des Tages)

Konsumwidriges Verhalten   

Eines Tages bekam ich ein Schreiben
vom Amt für städtische Wirtschaftsentwicklung.
Ich sollte mich dort mal einfinden.
Es läge eine Anzeige gegen mich vor.
Amt für städtische Wirtschaftsentwicklung?
Nie gehört. Weil ich neugierig war,
habe ich mich bei der
angegebenen Adresse eingefunden. 

Man führte mich in eine Amtsstube.
Zwei Herren in dunklen Anzügen
setzten sich zu mir an den Tisch,

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Ulrike Kleinert: Untersuchung zwecks Ausstellung eines ärztlichen Attestes (Gedicht des Tages )

Untersuchung zwecks Ausstellung eines
ärztlichen Attestes

Auf dem Bogen
ein kleines Kästchen,
das auf ein Kreuz wartet:
Krankheit und Behinderung?
Dünn geschrieben, ein Zusatz,
auch infolge von Krieg.

Abgetastet werden,
Mann, Frau, Kind,
als könne ihr Fleisch
alte Schmerzen verraten.
Abgehorcht ihre Brustkörper,
als klinge in ihnen
der Hall von Schüssen.

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stanislaw wygodzki - das fenster (Gedicht des Tages)


DAS FENSTER

Irgendwo ein Haus, ein Fenster und dahinter
ein Vorhang, zitternd, halb herabgerissen,
ein Schatten auf der gegenüberliegenden Wand,
und tote, hartnäckige Stille.

Der Schatten aber wie der Vorhang schwankt,
vom Wind in nebliger Dämmerung bewegt,
und wartet in der Stille bis zum Morgen
meines ungeschriebenen Briefes.

Niemandes Hand, niemandes Mund,
den Vorhang rissen Fremde nieder.
Hartnäckige Stille, leere Stube
und sonst nichts mehr.

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Wolfgang Buchhorn - Eine kleine Ewigkeit (Gedicht des Tages)



 

EINE KLEINE EWIGKEIT

Am Mittag oder früher
Bleibt die Zeit
Manchmal stehen
Beim Anblick einer Blüte
Eines segelnden Vogels
Des gefallenen Steins
Der zum Anstoß wird
Zum Dank für die Größe
Die Stille im Herzen

Dann fließt sie wieder
Als sei nichts geschehen
Die Welt zeigt sich verändert

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[Ulrike Kleinert - Herrin der Käse (Gedicht des Tages)

Die Herrin der Käse

Die Herrin der Käse
herrscht mit
einem Messer.
Sie teilt
gelbes Gold,
weißes, Kräutercreme,
Pastete,
lockt die Zungen
mit einer Messerspitze
voller Genuss.

Würziger Duft
hängt in ihren Kleidern,
die Namen der Käse
ihre Regierungserklärung,
ihre blonden Locken
über der Stirn wippen,
wenn sie die Käse wiegt.

Mit den Fingerspitzen
berührt sie das Geld,
nimmt es, schaut, wie
die Kasse es verschluckt.

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