Es kam anders, als ich dachte

„Was willst Du denn machen? Alleine hier blei-ben? Du wirst schnell Freunde finden! Mach Dir keine Sorgen, und die Sprache lernst Du auch schnell!“, sagte meine Mutter. Nach diesen Sätzen saß ich lange in meinem Zimmer und dachte nach. Der Raum war fast leer, nur noch das Nötigste nicht verpackt. Riesige Umzugskartons, deren Inhalt ein ganzes Leben sein kann.

Ein Sturmstoß aus Nichts
lockert jäh mir den Griff
Die Hände
andrem unterstellt
als meinem Wollen
lassen los, stumm erschreckend los
Etwas
ganz anders als Denken
ganz anders
gewahrt mein Verlorensein
Versteht es in stummem Erschrecken
sich an Nichts zu halten
Weiß es ganz
Spiraliges Nebeln
in Abgrund und Grund
ganz anders als Fühlen
ganz anders
erkennt mich substanzlos Sein.

Die Farbe Schwarz

Setze nicht voraus.
Fahrt in die Nacht
zwischen Sandhagen und
den Lichtungen im Gespensterwald.
Dem Kompass der Dinge folgen wir
bis der Narrenbaum gesetzt ist
mit leuchtenden Silberschellen.
Du kannst mir glauben
ich weiß nicht wo wir sind.

Untersuchung zwecks Ausstellung eines
ärztlichen Attestes

Auf dem Bogen
ein kleines Kästchen,
das auf ein Kreuz wartet:
Krankheit und Behinderung?
Dünn geschrieben, ein Zusatz,
auch infolge von Krieg.

Abgetastet werden,
Mann, Frau, Kind,
als könne ihr Fleisch
alte Schmerzen verraten.
Abgehorcht ihre Brustkörper,
als klinge in ihnen
der Hall von Schüssen.

Im Dezember

Schwarze Silhouette der Wälder
am Rande verwaschenen Tags.

Aus grauem Himmel
sickert schütteres Licht.

Der Pfad, verengt, bodenwärts,
zwischen aufgetürmten Laubwällen.

Ein Funke Hoffnung nur,
gesetzt vor dem Verzweifeln.


Karl Seemann